Lehrlinge als Antwort auf den Fachkräftemangel?
Der Fachkräftemangel wächst weltweit und macht dabei auch vor Tirol nicht Halt. Dadurch hat sich im Bereich der Lehrlingsausbildung jedoch ein grundsätzlicher Wandel vollzogen, der Unternehmen veranlasst, vielversprechende Auszubildende noch gezielter zu suchen.
ie Frage, ob ein Fachkräftemangel am österreichischen Arbeitsmarkt besteht, stellt sich nicht mehr. Längst belegen Studien diese Entwicklung. Vor allem in den Sparten Tourismus, Handel und Baugewerbe werden qualifizierte Mitarbeiter gesucht. Ausschlaggebend sind dafür unterschiedliche Faktoren: Einerseits spüren Unternehmen derzeit besonders die geburtenschwachen Jahrgänge. Andererseits wächst die Akademisierung stetig. „Immer häufiger drängen Jugendliche auf weiterführende Schulen, ohne davor zu testen, ob das der passende Weg ist“, erklärt Helmut Wittmer, Leiter des WK-Lehrvertragsservice. Dem Experten zufolge werden die beruflichen Möglichkeiten nach einem Studienabschluss tendenziell überschätzt und jene in der dualen Lehrlingsausbildung unterschätzt.
Im Wandel.
Der Mangel hat dazu geführt, dass Unternehmen vielfach ihre Personalpolitik dahingehend anpassen, dass sie aktiv nach Lehrlingen suchen. „Das Recruiting geeigneter Lehrlinge ist längst kein Selbstläufer mehr. Lehrstellen müssen attraktiv angeboten werden“, ist Helmut Wittmer überzeugt. Dabei bieten sich bewährte Wege wie Inserate oder das Arbeitsmarktservice an. Keinenfalls aber sollte die Online-Suche vernachlässigt werden, etwa über Soziale Medien oder einschlägige Berufsportale. Gerade über diese Kanäle können junge Menschen zielgerichtet erreicht werden. Auch Schul-Kooperationen sind durchaus geeignet, um geeignete Lehrlinge zu finden.
Durch die duale Ausbildung können Lehrlinge – praktisch und fachtheoretisch – maßgeschneidert für den Betrieb ausgebildet werden. Die rund 3.700 Tiroler Lehrbetriebe haben aktuell 792 offene Lehrstellen, wie eine AMS-Erhebung (Stand Juli) zeigt. Dabei suchten in diesem Zeitraum lediglich 483 Jugendliche einen Lehrbetrieb.
Die Differenz zwischen beiden Zahlen verdeutlicht, welcher Wettbewerb zwischen den Betrieben herrscht. Für Lehrlinge rückt bei diesem Überangebot vermehrt die Qualität von Ausbildung und Ausbilder in den Fokus. Für Unternehmen bedeutet das: „Es sollte jemand als Ausbilder herangezogen werden, der auch den zeitlichen Spielraum dafür hat“, rät Wittmer.
Um in allen Lehrbetrieben dieselbe Qualität zu gewährleisten, muss zuvor ein 40-stündiger Ausbilderkurs absolviert werden. Dort werden pädagogisch-methodische und rechtliche Kenntnisse rund um die Lehrlingsausbildung vermittelt. Will ein Unternehmen erstmalig Auszubildende einstellen, ist ein Feststellungsbescheid der Lehrlingsstelle notwendig. Dabei wird unter anderem überprüft, ob das Berufsbild ausreichend vermittelt werden kann und ob etwa für den Beruf wichtige Maschinen im Betrieb vorhanden sind. Für die Lehrlingsanzahl wird auch auf das Verhältnis von Ausbilder bzw. Fachkräften zu Lehrlingen geachtet.
Raiffeisen-Lehrlingsprogramm.
Auch die Raiffeisenbanken suchen jedes Jahr neue Lehrlinge für die Ausbildung zur Bankkauffrau bzw. zum Bankkaufmann – mit und ohne Matura. Nach erfolgtem Lehrabschluss und Berufseinstieg bieten interne Weiterbildungsprogramme verschiedenste Karrierewege. Dabei sind die Spezialisierungen als Service-Berater, in der Vertriebsassistenz sowie als Privat- und Firmenkundenbetreuer am beliebtesten.