Der Handel im digitalen Wandel
Digitalisierung ist in aller Munde, doch was ist darunter zu verstehen – vor allem für den Handel? Laut Jörn Werner, dem CEO der A.T.U Auto-Teile-Unger GmbH & Co. KG, geht es dabei längst nicht nur um das Onlinegeschäft.
ie Digitalisierung wird in den kommenden Jahren in vielen Wirtschaftsbereichen weiter Einzug halten. „Sie ist ein Tsunami, der über die Märkte rast“, sagt Jörn Werner, CEO bei A.T.U Autoteile Unger, der beim 26. Tiroler Wirtschaftsforum Mitte November in Innsbruck als Speaker zu Gast war. Man müsse lernen, diese Riesenwelle zu reiten, weil die Digitalisierung rasant Kundenerwartungen verändert: Kunden wollen Transparenz und Schnelligkeit. Eine Lieferzeit von fünf Tagen kann beispielsweise ausschlaggebend sein, dass der Kunde das Produkt bei einem anderen Anbieter kauft, der schneller liefert. Grundsätzlich sei es ein Trugschluss, zu glauben, dass die Welt immer digitaler wird: „Sie wird komplexer und die Digitalisierung hilft diese Komplexität zu beherrschen.“
Digitalisierung sei jedoch keinesfalls mit E-Commerce gleichzusetzen: „E-Commerce ist nur eine kleine Facette der Digitalisierung.
Unternehmen müssen handeln“, ist sich Werner sicher. „Zu viele Betriebe behalten ihr altes Geschäftsmodell und eröffnen nur einen Webshop.“ Doch das reiche bei Weitem nicht aus: „Es muss die gesamte Wertschöpfungskette digitalisiert werden. Der Webshop ist nur ein einziger Weg zum Kunden und der Kunde verlangt heute viel mehr.“
Die Kunden kennen.
Was laut Werner immer wichtiger wird, ist die sogenannte Customer Journey. Sie beschreibt die „Reise“, die ein potenzieller Kunde durchläuft, bis er schließlich ein Produkt kauft oder bestellt. „Die Customer Journey zu managen, zählt zu den größten Herausforderungen der Zukunft. Umfragen zufolge geben 88 Prozent der Unternehmen an, dass sie sich im digitalen Wandel befinden, jedoch wissen nur 25 Prozent, wie die Customer Journey aussieht, das heißt, wo und wie viele Berührungspunkte sie mit ihren Kunden haben.“ Betriebe müssen neu denken und ihr Geschäftsmodell transformieren.
Über verschiedene Kanäle.
Kunden informieren sich sowohl online als auch im Geschäft und kaufen auch beiderorts.
Der Handel denkt viel zu oft in Vertriebskanälen – der Kunde unterscheidet dabei jedoch nicht“, berichtet der CEO bei A.T.U Autoteile Unger.
Im Internet findet sich ein unerschöpfliches Angebot, und das rund um die Uhr. In Filialen gibt es hingegen im Verhältnis zum Umsatz höhere Kosten für Miete und Personal. Zudem erreicht man immer nur einen begrenzten, lokalen Markt zu bestimmten Öffnungszeiten. Durch einen deutschsprachigen Webshop lässt sich beispielsweise aber nicht nur Österreich erreichen, sondern der ganze Sprachraum.
Obwohl reine Onlinehändler gegenüber dem stationären Handel einen Kostenvorteil haben, sieht der Manager dennoch Herausforderungen: „Es wird in Zukunft schwer möglich sein, nur online oder offline zu verkaufen. Immer mehr Unternehmen werden Omni-Channeling betreiben, sprich online und offline verkaufen.“
„Der Handel denkt viel zu oft in Vertriebskanälen – der Kunde unterscheidet dabei jedoch nicht.“
Jörn Werner, CEO bei A.T.U Autoteile Unger
Deshalb würden auch große Onlinehändler wie Amazon oder Zalando vermehrt den Schritt zu stationären Geschäften wagen.
Der Kunde vor Ort.
Der Vorteil von stationären Geschäften liegt laut Jörn Werner in der Kundennähe – vor allem in der Möglichkeit, mit dem Kunden direkt zu sprechen, aber auch, dass dieser das Produkt anfassen kann. „Die spannende Frage ist: Wie kann man als Filialist die Vorzüge des Internets nützen, insbesondere um so ein größeres Sortiment anzubieten?“ Künftig wird das Internet mehr und mehr mit den Filialen verschmelzen. „Es werden richtige Erlebnistempel entstehen, damit Kunden die Produkte ausprobieren können.“
Plattformen im Vormarsch.
Dem CEO bei A.T.U Autoteile Unger zufolge sind nicht Telefon, Fax oder E-Mail disruptive Entwicklungen, sprich Innovationen, die bestehende Technologien großteils verdrängen, sondern neue Plattformen wie Facebook oder WhatsApp.
Denn sie werden meist gratis angeboten und man kann mit vielen Menschen gleichzeitig kommunizieren – ohne eine spezielle Hardware zu benötigen. „Die Macht der Plattform entsteht durch ihre User. Je mehr Mitglieder, desto mehr bringt es dem Einzelnen.“ So sei Facebook das größte Medienunternehmen der Welt, obwohl es selbst keine eigenen Inhalte produziere. Auch der Online-Fahrvermittlungsdienst Uber besitze selbst kein einziges Fahrzeug, sondern bringe lediglich Fahrer und Kunden über eine Handy-App zusammen.
Generell sieht der Experte Smartphones und andere mobile Geräte in Zukunft als ständige Begleiter, auf die sich auch Händler einstellen können und müssen, sei es mit optimierten Web-shops oder der Einbindung im stationären Geschäft.
„So können Online-Produktbewertungen dem Kunden im Shop direkt auf das Handy gespielt werden, um sich zusätzlich zur Beratung vor Ort zu informieren.“
Service wichtiger als Produkt.
„Ich glaube, dass der Handel unabhängiger von Produkten werden muss. Es sind vor allem das Erlebnis und der Service um das Produkt, die es künftig zu verkaufen gilt“, stellt Jörn Werner eine weitere These auf. „Der Margendruck im Internet wird weiterwachsen, da die Transparenz und Vergleichbarkeit zunehmen. Der Kunde versteht nicht, warum das Produkt bei einem Anbieter mehr als bei einem anderen kostet.“ Gibt es jedoch eine zusätzliche Dienstleistung, die diesen Preisunterschied rechtfertigt, wird es der Kunde Jörn Werner zufolge verstehen. „So kann für Kunden ein ganz neues Kauferlebnis geschaffen werden.“