Veränderungen gestalten statt erdulden
Die Zeiten ändern sich – auch im Tourismus. Im Interview erklärt Immobilienexperte und Hotelbetreiber Martin Baldauf, wo er die Herausforderungen für die Branche sieht und wie er und sein Geschäftspartner Armin Ennemoser diesen mit der PLANET Immobiliengruppe begegnen.
Martin Baldauf hat 1982 in Innsbruck als Doktor der Rechtswissenschaften promoviert. Parallel zur juristischen Ausbildung und Tätigkeit hat er sich eingehend mit den Themen Bauen und Architektur beschäftigt. Daraus entstand die 1998 gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Armin Ennemoser gegründete PLANET Immobiliengruppe.
err Baldauf, als Quereinsteiger in den Tourismus bringen Sie eine frische Perspektive mit. Was sind in Ihren Augen die wichtigsten aktuellen Entwicklungen in der Branche?
Martin Baldauf: Globalisierung und Digitalisierung machen vor dem Tourismus nicht halt. Auch er verlagert sich ins Internet. Der Gast ist im Netz, sucht im Netz und bewertet über das Netz. Suchplattformen haben mittlerweile ganze Branchen weitgehend verdrängt. Zugleich wird der Tourismus weiter wachsen. In Industrieländern nimmt die Reisefreudigkeit zu und in vielen anderen Nationen wächst der Wohlstand, wodurch auch für deren Bevölkerung Reisen leistbar wird. Im Gegenzug werden Reisen zeitlich kürzer. Im Städtetourismus liegen wir mit dem Hotel Nala bei durchschnittlich 1,6 Tagen pro Gast und auch im Ferientourismus werden wir uns von der klassischen „Urlaubswoche“ verabschieden müssen. Zugleich nimmt die Erwartungshaltung des Gastes zu. Ja, auch infolge der digitalen Vergleichbarkeit. Nur Kost und Logis zu bieten, genügt schon lange nicht mehr. Gefragt sind Erlebnisse und Mehrwert. Speziell bei Unterkünften lassen sich drei Trends beobachten: Die gesteigerte Nachfrage nach Ferienappartements im Eigentum, zunehmendes Interesse an der „Billigschiene“, die sich parallel zum Qualitätstourismus entwickelt, und nicht zuletzt alternative Hotel- und Zimmeranbieter wie Airbnb. Gerade Letztere haben großes Steigerungspotenzial und mischen bestehende Systeme gehörig auf.
Wo sehen Sie Tirols größte Stärke auf diesem international umkämpften Markt?
Tirol verfügt über herrliche Landschaft und Berge. Wir haben einen hoch entwickelten Tourismus, verfügen über eine außerordentlich gute Marktposition und haben eine gute Gästekultur entwickelt. Einen Berg hat man oder man hat ihn nicht; er lässt sich nicht nachbauen. Künstliche Berge oder Skipisten erreichen rund 400 Meter und kosten im Betrieb Unsummen. Uns wurden Berge geschenkt, die auf 3.000 Meter und mehr ragen. Unser Potenzial liegt darin, dem Gast diese Bergwelt in ihrer Pracht nahezubringen. Wer den Berg wirklich erlebt und spürt, fährt mit einem Erlebnis nach Hause. Da-rauf kommt es an.
Und wo liegen die größten Herausforderungen?
Zum einen sind das globale Risiken, besonders der Klimawandel – auch wenn sich noch nicht eindeutig sagen lässt, wann und in welchem Ausmaß er den Tourismus beeinflussen wird. Unser Tourismus hängt stark vom Wintersport ab – mit der Betonung auf „Sport“. Meines Erachtens ist es notwendig, vermehrt alternative Szenarien anzubieten. Damit kann dem Klimawandel vorgegriffen werden und wir können auch Gruppen ansprechen, die nicht dem Sport frönen, aber die Berge lieben.
Abgesehen davon gilt es für Tirol vor allem, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen. Denn wie heißt es so schön: Alles bleibt nur dann so, wie es ist, wenn wir bereit sind, alles zu ändern. Zudem besteht das Risiko, die Welt nur aus dem eigenen Blickwinkel zu betrachten.
Wir brauchen die Sicht des Gastes, um unsere Potenziale einzuschätzen. Den Berg dürfen wir nicht als Tiroler betrachten. Denn was uns gewohnt und normal erscheint, ist für den Außenstehenden eine Sensation.
Tradition und Innovation scheinen sich zu widersprechen. Ist es überhaupt möglich, eine Kombination zu schaffen?
Tradition und Innovation ist ein altes Gegensatzpaar; das gilt für den Tourismus und für die Gesellschaft. Entwicklungen entstehen meistens aus Gegensätzen, die wie Pole aufeinander angewiesen sind. Einseitigkeiten sollten vermieden werden. Guter Tourismus braucht jedenfalls beides: Der eine Gast sucht Zirbenstube und Blaskapelle, der andere möchte am Panoramalift, auf der sensationellen Gipfelterrasse und auf 1.000 Kilometern Piste etwas erleben. Tradition beengt und schadet, wenn die ausschließliche Aufmerksamkeit auf Bewahrung gelegt wird. Innovation schadet und macht müde, wenn sie nur noch auf Neues und Kurzweiliges gerichtet ist.
Welche Maßnahmen setzen Sie, um ausgetretenen Pfaden fernzubleiben?
Bei allen unseren Unternehmensteilen steht das Bestreben, uns an unseren Nutzern zu orientieren, im Vordergrund – egal ob als Verkäufer einer Wohnung, Vermieter einer Büroeinheit oder Gastgeber in einem Hotel.
„Bei allen unseren Unternehmensteilen steht das Bestreben, uns an unseren Nutzern zu orientieren, im Vordergrund.“
Es geht um das Erlebnis des Nutzers, wenn er eines unserer Häuser betritt, und darum, mit welchem Gefühl er sich verabschiedet. Wir wollen nicht nur das primäre Bedürfnis befriedigen, sondern alle Sinne ansprechen. Es gilt, nicht nur intellektuelle Qualitäten zu erfüllen, sondern Emotionen zu wecken, um ein nachhaltiges Erlebnis zu schaffen.
Und wie schafft man das?
Das gelingt nur, wenn man Besonderes kreiert, das anderswo nicht geboten wird. Im Hotel Nala sind das die Architektur, die sich abhebt, und Zimmer, bei denen keines einem anderen gleicht. Im Jagdschloss Kühtai bauen wir auf die Geschichte und Tradition des Hauses, die zumindest auf das 13. Jahrhundert und die Habsburger zurückgeht. Bei unserem Bürogebäude SOHO bieten Architektur, Materialien und Innenraumgestaltung ein Arbeitsumfeld, das inspiriert, Kommunikation fördert und Erlebnisse bietet.
Worin wird die Zukunft des Tiroler Tourismus liegen?
Die Zukunft ist schwer vorherzusagen. Die Tourismusbranche ist eng mit der Wirtschaft verflochten. Ändert sich diese, ändert sich auch der Tourismus, zumal Reisen ein Luxusgut sind. Auch die Brüche und Innovationen, die kommen werden, lassen sich nicht prognostizieren. Unser Potenzial sind unsere Berge, unsere Innovationskraft und unsere Gästekultur. Die Berge bleiben uns erhalten. Wenn wir tatkräftig sind, innovativ, dem Bedürfnis des Gastes nachspüren und – ganz wichtig – Glück haben, werden wir imstande sein, unser Potenzial auch zukünftig auszuschöpfen. Veränderungen kann man erdulden oder gestalten. Versuchen wir Letzteres.
Vielen Dank für das Gespräch.
„Unser Potenzial sind unsere Berge, unsere Innovationskraft und unsere Gästekultur.“
Die PLANET Immobiliengruppe hat es sich zum Ziel gesetzt, Bauen und Architektur unterschiedlichster Immobilientypen kreativ zu behandeln. Im Kern steht immer, das Erleben des Nutzers nicht nur auf der bewussten, sondern auch auf der emotionalen Ebene mitzugestalten – egal ob bei Büro- oder Geschäftsimmobilien, im Wohnbau oder auch bei Hotelprojekten in österreichischen Skigebieten.