RLB setzt neuen Schwerpunkt für Industriekunden

Dr. Johannes Ortner ist seit 1. April Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen-Landesbank Tirol AG. Fast ein halbes Jahr also. Zeit genug, um sich einen guten Überblick zu verschaffen und die wichtigsten Zukunftsthemen zu identifizieren. Im Interview kündigt er an, Regionalität und Genossenschaftsprinzipien zu stärken. Zudem gibt es im Firmenkundenbereich neben Tourismus und Immobilienwirtschaft künftig einen eigenen Schwerpunkt „Industrie“.

Foto: Raiffeisen/Kaser
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err Dr. Ortner, wie waren Ihre ersten Monate als Vorstandsvorsitzender der RLB Tirol AG? JOHANNES ORTNER: Intensiv, aber sehr gut. Neben den täglichen Aufgaben und Verpflichtungen habe ich die Zeit vor allem dafür genützt, um Land und Leute, die Mitarbeiter in unserem Haus und natürlich auch die Tiroler Raiffeisenbanken besser kennenzulernen. Ich habe die Gespräche dabei als sehr offen wahrgenommen. Wichtig ist es mir, herauszuhören, wie jeder einzelne Geschäftsleiter die Zukunft seiner Bank, seiner Region und bestenfalls auch des gesamten Sektors sieht. Da gibt es – Gott sei Dank – sehr klare Li-nien und Aussagen und damit verbundene Erwartungen. Das macht das Ganze zwar nicht einfacher, aber ich schätze einen offenen und transparenten Dialog sehr.

 

Das Bankenumfeld ist heute ja nicht einfach, die Erträge der Branche stehen unter Druck. Die RLB ist sehr gut aufgestellt, und wir bauen hier auf einem sehr, sehr guten Fundament für die Zukunft auf. Das ist eine wichtige Ausgangsbasis hinsichtlich der Veränderungen, die auf Banken zukommen. Wir sind ausgezeichnet kapitalisiert und auch bereit, dieses Geld hier in der Region einzusetzen, also unseren Kunden als Kredite zur Verfügung zu stellen. Gerade im Firmenkundenbereich sind Investitionen ein Motor für Entwicklung. Wir nehmen hier unseren genossenschaftlichen Auftrag wahr und arbeiten aus der Region für die Region – sprich für unsere Mitglieder und Kunden.

 

Sie haben selbst einmal mit der Idee geliebäugelt, eine eigene Bank zu gründen, und wollten „Regionalität“ in den Vordergrund stellen. Können Sie das jetzt bei Raiffeisen umsetzen? Ja, das war ja meine Erkenntnis damals: Warum eine eigene Bank gründen? Raiffeisen hat genau das in den Wurzeln, in den Genen, in den Zutaten, die man braucht, um heute aus meiner Sicht eine vertrauensvolle und gut aufgestellte Bank erfolgreich in die Zukunft zu führen.

Was genau verstehen Sie unter diesen Zutaten? Das ist einmal die Kundennähe: Du musst, um Vertrauen zu schaffen, einfach sehr nahe bei den Menschen sein. Und das ist Raiffeisen. Ich kenne aktuell keine Bank, die näher beim Kunden agieren kann, als wir das können. Die Nähe zum Kunden ist auch die wirkungsvollste Strategie als Antwort auf die zunehmende Digitalisierung und Anonymisierung unserer Gesellschaft. Zum zweiten verstehen wir das Bankgeschäft nicht als Selbstzweck. Als Genossenschaft haben wir in unseren Statuten sogar festgeschrieben, nicht Gewinne zu maximieren, sondern zum Wohl unserer Mitglieder und der Region zu wirtschaften. Das ist wirklich einzigartig in unserer Branche. Einen Teil unserer Gewinne geben wir so ganz bewusst unseren Mitgliedern, Eigentümern und der Region wieder zurück. 

 

Wie wichtig ist Ihnen persönliche Betreuung bei Firmenkunden? Im Firmenkundengeschäft sind wir ohnehin schon jetzt stark beim Kunden. Die RLB ist schon sehr gut positioniert im Bereich des Tourismus. Für mich zeigt sich das anhand des verwalteten Kreditvolumens in dieser Sparte sowie am einzigartigen Branchen-Know-how, das wir uns über die Jahre aufgebaut haben. Wir wollen aber in der Zukunft, und das ist auch ein persönliches Steckenpferd von mir, das Thema „Industrie“ in Tirol etwas mehr in den Fokus unseres Tuns stellen. Tirol verfügt über eine hochinteressante Industrielandschaft. Ich habe sowohl in Deutschland bei der DZ Bank als auch bei der RLB Vorarlberg sehr positive Erfahrungen in diesem Bereich gemacht. Dieses Wissen kann ich jetzt gut bei der RLB Tirol AG einbringen.

„Wir sind ausgezeichnet kapitalisiert und auch bereit, dieses Geld hier in der Region einzusetzen, also unseren Kunden als Kredite zur Verfügung zu stellen.“

Erfolgsmodell Genossenschaft

Die neue Stabsstelle „Innovative Genossenschaft“ in der RLB Tirol AG

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as Genossenschaftsmodell prägt den Raiffeisen-Sektor wie keinen anderen. Kein Wunder, war es doch Erfolgsgarant über die letzten 130 Jahre hinweg und half es den Raiffeisenbanken, die Finanzkrise 2008 besser zu meistern als andere Banken. „Wir haben nie das Vertrauen unserer Kunden verloren“, sagt RLB-Vorstandsvorsitzender Dr. Johannes Ortner: „Das zeigen alle Umfragen. Raiffeisen hat die höchsten Vertrauenswerte unter den Banken. Deshalb wollen wir auch Dinge in den Vordergrund rücken, die dieses Vertrauen stärken: das ist die Kundennähe, das ist die fachliche Kompetenz und das ist vor allem das Thema Genossenschaft.“

 

Region und Mitglieder fördern.

Eines der genossenschaftlichen Prinzipien von Friedrich Wilhelm Raiffeisen war es, die Region und die Mitglieder der Bank zu fördern. „Wir leben diesen Auftrag nach wie vor und geben einen Teil der Gewinne ganz bewusst der Bevölkerung, der Region und den Eigentümern, sprich unseren Mitgliedern, zurück. Und das sind immerhin 125.000 Tirolerinnen und Tiroler“, betont Ortner. Genossenschaften sind und bleiben ein Erfolgsmodell, ist er überzeugt. Die damit verbundene Mitbestimmung, das Gefühl, „die Bank gehört mir, dort kann ich mitreden“,