Neues Erbrecht – was müssen Unternehmer wissen?
Das Erbrechts-Änderungsgesetz 2015 (ErbRÄG 2015) ist mit 1. Jänner 2017 in Kraft getreten. Die erbrechtlichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) wurden maßgeblich novelliert. Der Gesetzgeber hat dabei versucht, die betroffenen Regelungen sowohl inhaltlich als auch sprachlich den Bedürfnissen der heutigen Zeit anzupassen.
ie Änderungen betreffen alle Bereiche des Erbrechts, wobei nachstehend nur einige wichtige Punkte herausgegriffen werden:
- Letztwillige Verfügungen: Insbesondere die Formvorschriften beim sogenannten fremdhändigen Testament wurden verschärft.
- Gesetzliches Erbrecht: Neben der grundsätzlichen Besserstellung des Ehegatten/eingetragenen Partners und diversen Klarstellungen wurden insbesondere das Pflegevermächtnis und das außerordentliche Erbrecht des Lebensgefährten neu eingeführt.
- Pflichtteilsrecht: Das Pflichtteilsrecht der Eltern und sonstigen Vorfahren wurde beseitigt, darüber hinaus finden sich umfassende Neuerungen im Zusammenhang mit Enterbung, Pflichtteilsminderung und der Frage von Anrechnungen von lebzeitigen Schenkungen auf den Pflichtteil. Neu eingeführt wurde die Möglichkeit der Stundung des Pflichtteils.
Aus Sicht des Unternehmers sind insbesondere die Neuregelung der Fälligkeit des Pflichtteils sowie die Möglichkeit der Stundung desselben von Bedeutung. Problematisch waren bisher vor allem jene Fälle, in denen Pflichtteile nur durch Zerschlagung des Unternehmens bezahlt werden konnten. Dagegen soll die Neuregelung Abhilfe schaffen. Der Berechtigte erwirbt – auch nach der Neuregelung – den Anspruch auf den Pflichtteil zwar unmittelbar mit dem Tod des Verstorbenen, allerdings kann er den Geldpflichtteil erst ein Jahr nach dessen Tod zur Zahlung einfordern.
Darüber hinaus kann nach den Bestimmungen des ErbRÄG 2015 der letztwillig Verfügende den Pflichtteil auf höchstens fünf Jahre nach seinem Tod stunden oder die Zahlung in Teilbeträgen innerhalb dieses Zeitraums anordnen. Der Pflichtteilsberechtigte kann den Pflichtteil in diesen Fällen nur dann fordern, wenn ihn dies unter Berücksichtigung aller Umstände ungerechtfertigt trifft, wobei die Interessen und die Vermögenslage des Pflichtteilsschuldners angemessen zu berücksichtigen sind. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann der Stundungszeitraum durch das Gericht auf insgesamt höchstens zehn Jahre verlängert werden.
Stundung zum Fortbestand des Unternehmens.
Daneben kann der Pflichtteilsanspruch auf Verlangen eines Pflichtteilsschuldners auch gerichtlich gestundet werden, soweit diesem die sofortige Erfüllung unter Berücksichtigung aller Umstände nicht zugemutet werden kann. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn zur Befriedigung des Pflichtteils mangels ausreichenden anderen Vermögens ein Unternehmen, das die wirtschaftliche Lebensgrundlage darstellt, veräußert werden müsste, wenn also die Fortbestandsprognose aufgrund der Erfüllung der Pflichtteilsansprüche negativ wäre.
Ebenso ist der Geldpflichtteilsanspruch auf Verlangen eines Pflichtteilsschuldners zu stunden, wenn dessen sofortige Entrichtung den Fortbestand eines Unternehmens erheblich gefährdet. Auch in diesem Zusammenhang sind die Interessen des Pflichtteilsberechtigten angemessen zu berücksichtigen.
Allerdings ist im Zusammenhang mit der Stundung des Pflichtteils zu berücksichtigen, dass der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten jeweils zu verzinsen ist. Angesichts der zur Anwendung gelangenden gesetzlichen Zinsen in Höhe von vier Prozent pro Jahr büßt die Pflichtteilsstundung in Anbetracht der derzeitigen Zinslage maßgeblich an Attraktivität ein. Diesbezüglich bleibt abzuwarten, ob bzw. wann der Gesetzgeber auf die allgemeine Zinssituation reagiert und die „gesetzlichen Zinsen“ dem Marktniveau anpasst.
Neuregelung fürs Ausland.
Für Unternehmer, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hinblick auf ihre unternehmerische Tätigkeit häufig wechseln oder die einen Wohnsitz im Ausland haben, ist darüber hinaus die Neuregelung durch die Europäische Erbrechtsverordnung, welche mit 17. August 2015 in Kraft getreten ist, zu beachten.
„Aus Sicht des Unternehmers sind insbesondere die Neuregelung der Fälligkeit des Pflichtteils sowie die Möglichkeit der Stundung desselben von Bedeutung.“
Dadurch wurde die Rechtslage bei Verlassenschaften mit Auslandsbezug in ganz Europa, ausgenommen Großbritannien, Irland und Dänemark, verändert.
Die neue EU-Verordnung bestimmt, welches Gericht im Ablebensfall zuständig und welches Erbrecht anzuwenden ist. Maßgebend für beides ist in Zukunft grundsätzlich der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt des Todes, wobei es auf eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände in den Jahren vor dem Tod bzw. zum Zeitpunkt des Todes ankommt, also auf die Dauer, die Regelmäßigkeit des Aufenthalts oder den familiären und sozialen Lebensmittelpunkt. Wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt (zum Zeitpunkt des Todes) im Ausland hat, aber trotzdem sicherstellen will, dass sich das Erbrecht nach seiner Staatsangehörigkeit richtet, muss künftig in einer letztwilligen Verfügung eine entsprechende Rechtswahl treffen, andernfalls kommt beispielsweise bei einem gewöhnlichen Aufenthalt am Gardasee oder in Mallorca italienisches bzw. spanisches Erbrecht zur Anwendung.