Der lange Atem
Schlägt Ausdauer Talent? Hochkarätige Experten kamen im Rahmen einer spannenden Diskussionsveranstaltung zum Schluss: Die Mischung aus beidem bringt den Erfolg.
„Nur Talent zu besitzen ist mit Sicherheit zu wenig!“
Anna Stöhr, zweifache Boulder-Weltmeisterin
er braucht schon Talent, wenn man auch ohne erfolgreich sein kann? Diese provokante Fragestellung diente als Motto einer Abendveranstaltung, zu der die Raiffeisenbanken aus dem Bezirk Schwaz Ende April in die HolzErlebnisWelt von Binderholz in Fügen geladen hatten. Am Podium befanden sich hochkarätige Vortragende: der Ökonom und experimentelle Wirtschaftsforscher Matthias Sutter, die zweifache Boulder-Weltmeisterin Anna Stöhr und der Raiffeisen-Investmentspezialist Wolfgang Wimmer.
Geduld macht sich bezahlt.
Als Autor des Buches „Die Entdeckung der Geduld – Ausdauer schlägt Talent“ ließ Matthias Sutter von Anfang an wenig Zweifel über seinen wissenschaftlichen Standpunkt aufkommen. Nach einer kurzen Begriffserklärung, was ein Ökonom unter „Ausdauer“ versteht – die finanzielle Gegenwart gegen die finanzielle Zukunft abzuwägen – erläuterte der Wissenschaftler, wie und warum er diese Ausdauer zu schätzen gelernt hat.
Vor zehn Jahren führte Sutter mit 700 zehn- bis 18-jährigen Tiroler Jugendlichen eine Studie zum Thema „Geduld/Ausdauer“ durch. Die zentrale Frage an seine Probanden: „Wollt ihr etwas Geld gleich oder etwas mehr Geld morgen?“ Nach Auswertung der Antworten zeigten sich überraschende Ergebnisse: Jugendliche, die der Versuchung, das Geld sofort zu nehmen, nicht widerstehen konnten, hatten durchwegs einen höheren BMI (Body-Mass-Index), gaben mehr Geld für Alkohol und Tabak aus, sparten weniger und studierten mit geringerer Wahrscheinlichkeit.
Dieses Ergebnis wird in seiner Aussagekraft durch viele Langzeitstudien erhärtet, wie Martin Sutter anhand des berühmten „Marshmallow-Tests“ weiter ausführte: Dieser wurde in den Sechzigerjahren mit Kindern von vier bis sechs Jahren durchgeführt. Die Fragestellung an die Kinder lautete damals: „Willst du ein Marshmallow sofort oder ein zweites in zehn Minuten, falls du das erste bis dahin nicht aufgegessen hast?“ Zehn bis 15 Jahre später konnten die Initiatoren der Studie von sehr unterschiedlichen Entwicklungen der Kinder berichten: Diejenigen, die auf das zweite Marshmallow warten konnten, waren weniger häufig drogenabhängig, sozial besser integriert, besaßen ein besseres Sprachvermögen und waren konfliktfähiger. Rund 40 Jahre nach Studienbeginn zeigte sich, dass die Geduldigeren bessere Jobs besaßen, gesünder waren, mehr Geld verdienten und seltener kriminell wurden. Die Fähigkeit, Selbstkontrolle auszuüben und auf ein größeres Ziel hinzuarbeiten, machte sich also bezahlt.
Diese Erkenntnis lässt sich nicht nur auf wirtschaftliche Anwendungsbereiche übertragen, sie wird auch von Erfahrungen aus der Sportwelt wie jenen der zweifachen Boulder-Weltmeisterin Anna Stöhr bestätigt.
Balance halten.
„Im sportlichen Bereich macht es keinen Sinn, Ausdauer und Talent gegeneinander auszuspielen. Erfolg ergibt sich aus einer Mischung aus beidem, nur Talent zu besitzen ist mit Sicherheit zu wenig“, erzählte die Spitzenkletterin im Rahmen ihres Vortrags, um gleich klarzumachen, was Ausdauer in ihrem Fall bedeutet: Sie trainiert fünfmal die Woche, manchmal auch in doppelten Einheiten, und das seit ihrer Jugend. „Dabei ist es allerdings wichtig, das Gleichgewicht zwischen Disziplin und Spaß zu erhalten“, brachte Stöhr auch das Element „Freude“ in die Diskussion ein. Weitere Zutaten zum Erfolg, wie sie Anna Stöhr im Laufe ihrer Karriere kennengelernt hat, sind das Setzen langfristiger und realistischer Ziele, für die man echte Leidenschaft entwickeln kann, und die Annäherung daran in kleinen Schritten.
Dass sich eine aus derartigen Zutaten zusammengesetzte Ausdauer auch bei der Vermögensanlage bezahlt macht, bestätigte schließlich Wolfgang Wimmer, Investmentspezialist von Raiffeisen Capital Management. Als lohnendes Anlageprodukt lobte er diversifizierte Depots. Hier könnten mögliche Verluste der einen Aktie durch die möglichen Gewinne der anderen Papiere aufgefangen werden. Eine solche Streuung wird zum Beispiel über breit anlegende Investmentfonds realisiert, die umso besser funktionieren, je mehr Geduld man mit ihrer Entwicklung hat. Auch hier macht sich also der lange Atem oft bezahlt.
„Der Einfluss von Geduld, Ausdauer und Selbstkontrolle ist für eine erfolgreiche Zukunft gleich bedeutsam wie der Intelligenzquotient, Talent und der familiäre Hintergrund.“
Matthias Sutter, Ökonom
Buchtipp
Matthias Sutter: Die Entdeckung der Geduld. Ausdauer schlägt Talent, Verlag Ecowin, 2014.
Erfolg hat, wer geduldig ist. Mit seinem 2014 veröffentlichten Buch „Die Entdeckung der Geduld“ verhilft der in Tirol lebende und unter anderem in Bonn arbeitende Wirtschaftsforscher Matthias Sutter einer oft vernachlässigten Charaktereigenschaft zu einem spannenden Comeback. Mittels wissenschaftlich fundierter Studien führt er seine Leser schließlich zur überraschenden Erkenntnis: Geduld ist gleich viel wert wie Talent!