„Der Mensch im Mittelpunkt“
Anfang Mai hat die Raiffeisen-Landesbank Tirol AG ihren Jahresabschluss veröffentlicht und einen Ausblick auf das Jahresergebnis der Raiffeisen-Bankengruppe Tirol gegeben. Im Interview spricht Johannes Ortner über das vergangene Geschäftsjahr, Firmenkunden als Wachstumschance und Genossenschaften als Erfolgsfaktor für die Zukunft.
Johannes Ortner, Vorstandsvorsitzender der RLB Tirol AG und Sprecher der Raiffeisen-Bankengruppe Tirol, zieht trotz vieler Herausforderungen eine positive Bilanz für das Geschäftsjahr 2017.
„Wir sind sehr traditionell, was die Werte betrifft, und sehr innovativ, wenn es um Technologien geht.“
Johannes Ortner
aiffeisen kompakt: Herr Dr. Ortner, wie fällt Ihre Bilanz für das vergangene Geschäftsjahr aus?
Johannes Ortner: Wir sind mit dem Ergebnis des vergangenen Jahres zufrieden, zumal es ein sehr herausforderndes war. 2017 war zum einen vom OGH-Urteil zum Thema Negativ-zinsen geprägt. Doch das Minus im operativen Ergebnis aufgrund der Rückzahlungen der Negativzinsen konnten wir durch unser sehr gutes Risikoergebnis mehr als kompensieren. Das ist auf die gute wirtschaftliche Lage
zurückzuführen. Zudem hat sich Raiffeisen einmal mehr als sicherer Hort für Erspartes erwiesen: Die Raiffeisenorganisation verwaltet über zehn Milliarden Euro an Sparvermögen in Tirol. Auch unsere Kundenbeziehung zur heimischen Wirtschaft konnten wir ausbauen.
Auf der anderen Seite müssen wir als Bank immer mehr regulatorische Anforderungen umsetzen, was steigende Personalkosten bedeutet und sich somit negativ auswirkt.
Umso erfreulicher ist das in Summe sehr gute Ergebnis.
Die RLB Tirol AG verzeichnete sowohl im Privat- als auch im Firmenkundenbereich Wachstum. Welche Strategie verfolgt Raiffeisen im Unternehmensbereich?
Das Firmenkundengeschäft stellt mittlerweile eine wichtige Säule dar. Eine vom Forschungsinstitut IMAS durchgeführte Studie unter Tiroler Firmenkunden zeigte, dass Raiffeisen Tirol im Segment der Betriebe mit einem Umsatz zwischen zwei und zehn Millionen einen Hauptkundenanteil von 51 Prozent hat. Im klassischen KMU-Bereich sind wir also sehr stark vertreten. Was wir künftig noch stärker in den Fokus rücken möchten, ist die Industrie. Tirol verfügt über hervorragende Industriebetriebe. Da gibt es noch sehr viel Wachstumspotenzial für uns als Landesbank.
Traditionelle Banken müssen sich aktuell vielen Herausforderungen stellen, wie der Digitalisierung. Wie schafft es Raiffeisen, zukunftsfit zu bleiben?
Raiffeisen stand der Digitalisierung immer schon sehr offen gegenüber. Wir führten als eine der ersten Bankengruppen das Online-Banking ein. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass der entscheidende Faktor in einer Kunden-Bank-Beziehung der persönliche Kontakt bleibt. Alle Wege und Kanäle, die wir digital forcieren wollen, münden am Ende beim Menschen. Raiffeisen ist gut beraten, diesen persönlichen Weg, den wir in den letzten 125 Jahren erfolgreich beschritten haben, nicht zu verlassen. Der Mensch wird auch in Zukunft im Fokus stehen, auch wenn er mehr und mehr Möglichkeiten erhält, Bankgeschäfte zu erledigen. Bereits unser Gründervater Friedrich Wilhelm Raiffeisen, dessen 200. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, gab uns diesen Gedanken mit auf den Weg. Er hat es geschafft, mit menschlichen Zügen schwierige Situationen in Form einer Genossenschaft zu meistern.
„Wir sind jedoch davon überzeugt, dass der entscheidende Faktor in einer Kunden-Bank-Beziehung der persönliche Kontakt bleibt.“
Johannes Ortner
Inwiefern spielt das Genossenschaftswesen eine Rolle, wenn es darum geht, den Menschen stärker in den Mittelpunkt zu rücken?
Während der Finanzkrise beschäftigte ich mich intensiv mit dem Sinn des Daseins eines Bankiers und stellte fest, dass wir als Raiffeisen in den gleichen Topf geworfen werden wie alle anderen Großbanken. Da fragte ich mich nach den wesentlichen Unterscheidungsmerkmalen. Und diese liegen ganz klar in der Genossenschaftsidee. Heute, in einer Zeit, in der Werte wie Regionalität, Mitbestimmung und Menschlichkeit mehr denn je zählen, liefert die Genossenschaftsidee wichtige Antworten. Deshalb möchten wir nach weiteren Bereichen suchen, in denen der Genossenschaftsgedanke verstärkt eingebaut werden kann. Damit beschäftigt sich etwa die Stabsstelle Innovative Genossenschaft hier im Haus. Auf der anderen Seite hat eine Genossenschaftsbank auch einen Förderauftrag. Wir sind unseren Miteigentümern gegenüber verpflichtet, gute Dienstleistungen zu erbringen und sie in den wirtschaftlichen Belangen zu fördern. 200 Jahre Raiffeisen sind eine ideale Gelegenheit, über unsere Wurzeln nachzudenken.
Die Ideen von Raiffeisen sind also auch heute noch zeitgemäß?
Als Unternehmen ist es unerlässlich, sich auf seine Werte zu besinnen. Wir sind sehr traditionell, was die Werte betrifft, und sehr innovativ, wenn es um Technologien geht. Die Kombina-tion ist eine gute Ausstattung, um die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu meistern.
Vielen Dank für das Gespräch.