Die Digitalisierung als Retter in der Not
In Sachen Digitalisierung hat Europa immer noch Aufholbedarf.
Warum sich das so schnell wie möglich ändern muss und weshalb es
an der Zeit für einen digitalen EU-Binnenmarkt ist, verrät der
IT-Experte und Unternehmer Helmut Fallmann.
aiffeisen kompakt: Herr Fallmann, warum muss die Digitalisierung Europa retten? Helmut Fallmann: Im Vergleich zu Asien -und den USA ist Europa in technologischer Hinsicht stark ins Hintertreffen geraten. Wir Europäer haben das Ausbrechen der digitalen Revolution verschlafen und bisher eher schwerfällig gehandelt. Es mangelt noch immer an digitaler Infrastruktur sowie einschlägiger Aus- und Weiterbildung, und nationale Befindlichkeiten werden gerade stark in den Vordergrund gerückt.
Wie genau soll Europa das machen?
Um einen digitalen EU-Binnenmarkt zu realisieren, der nebenbei das angeknackste europäische Zusammengehörigkeitsgefühl stärken kann, müssen technologische Schrebergärten wie etwa Geoblocking endgültig der Vergangenheit angehören.
Erfreulicherweise ist Europa schon mitten in den Umbauarbeiten, wie sich etwa am Wegfall der Roaming-Gebühren zeigt oder mit dem Inkrafttreten der EU-DSGVO, einer weltweit einzigartig starken Datenschutz-Gesetzgebung. Die Grundverordnung ist Europas Alleinstellungsmerkmal im digitalen Zeitalter, was uns langfristig immense wirtschaftliche Vorteile bringen wird.
Sie schlagen in Ihrem Buch eine sichere elektronische Identität (eID) für jeden EU-Bürger vor. Was genau kann man sich darunter vorstellen?
Die eID ist als Generalschlüssel vorstellbar, der europäische Online-Portale öffnet. In Kombination mit einer elektronischen Signatur wird damit beispielsweise die grenzüberschreitende Gesundheitsvorsorge zur Selbstverständlichkeit, Lern- und Bildungsmöglichkeiten sind überall und immer verfügbar.
Auch eShopping und eBanking erfahren keine Einschränkungen mehr, was der europäischen Wirtschaft zusätzlichen Auftrieb verschafft. Voraussetzung dafür sind der Ausbau der Sicherheits-Richtlinien für digitale Infrastruktur sowie Standardisierungen, woran verschiedene Arbeitsgruppen gerade intensiv arbeiten.
Wie sieht es mit der Digitalisierung in Österreich aus?
Die öffentliche Hand hat schon erfreuliche Schritte getan: Österreich hat mit der Erlassung eines Bundesgesetzes über elektronische Signaturen und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen und mit der Novellierung des E-Government-Gesetzes die rechtlichen Voraussetzungen für eIDs geschaffen. Woran das Land, aber auch ganz Europa, leidet, ist der IT-Personalmangel.
„Wer behauptet, die Digitalisierung beträfe ihn oder sie nicht, ist mit einer ungesunden Portion Naivität gesegnet.“
Helmut Fallmann, IT-Experte und Unternehmer
Das muss schnellstens mit passenden Schritten im Bildungs- und wirtschaftlichen Förderbereich angegangen werden.
Unsere Unternehmen haben mit Einführung der DSGVO einen wichtigen Schritt in das digitale Zeitalter geschafft.
Kann man sich als Unternehmer und auch als Privatperson der Digitalisierung überhaupt noch entziehen?
Nein. Wer behauptet, die Digitalisierung beträfe ihn oder sie nicht, ist mit einer ungesunden Portion Naivität gesegnet.
Welche Veränderungen stehen uns im Zuge der Digitalisierung im Berufsleben sowie im Alltag in den nächsten Jahren bevor?
Jeder Lebensaspekt ist bereits in irgendeiner Weise digital verknüpft, und das wird sich immens verstärken – Stichwort IoT (Internet of Things).
Die Digitalisierung verspricht mehr Flexibilität und die Abkehr von örtlicher Gebundenheit. Unsere Welt wächst stärker zusammen. Millionen Menschen in Entwicklungsländern etwa haben nun Zugang zu Mobile Banking und damit die Chance, über digitale Devices einen Lebensunterhalt aufzubauen. In den Industrienationen ist aufgrund der digitalen Möglichkeiten eine ständige Online-Präsenz des Einzelnen erreicht, was für Stress und neue Krankheitsbilder sorgt.
Die digitale Revolution ist derart schnell über uns hereingebrochen, dass keine Zeit für ein Analysieren aus zeitlicher Distanz bleibt. Es muss parallel daran gearbeitet werden, Chancen möglichst früh zu antizipieren und die Allgemeinheit vor Nachteilen so gut wie möglich zu schützen. Die Datenschutz-Grundverordnung ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Vielen Dank für das Gespräch.
Tiroler Wirtschaftsforum 2018:
Helmut Fallmann, Mitbegründer und Vorstandsmitglied des Linzer Softwareunternehmens Fabasoft AG, ist einer der hochkarätigen Referenten am Tiroler Wirtschaftsforum 2018 (7. November, Congress Innsbruck). Neben Fallmann werden dort auch Frederik Willem de Klerk (Politiker, Friedensnobelpreisträger), Barbara Wittmann (Geschäftsführung LinkedIn DACH), Judith Williams (CEO Cura Marketing GmbH & Judith Williams GmbH) und Sven Seidel (Vorstandsmitglied Otto Group) auf der Bühne stehen.
Weitere Informationen und Tickets gibt es unter www.tiroler-wirtschaftsforum.at. Raiffeisenkunden erhalten einen Rabatt von 30 % auf den regulären Ticketpreis. Einfach über die zuständige Raiffeisenbank anmelden.