»Ganz neu gefordert«

Unternehmerinnen und Unternehmer aus ganz Tirol erzählten uns von ihrer Shutdown-Zeit.

Fotos: Hartwig Gsaller (1), Raiffeisen/Aria Sadr-Salek (8) / Text: Christine Frei
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ir wollten wissen, wie unsere Kunden diese Zeit erlebt haben. Also fuhren wir in den ersten Tagen der sogenannten Lockerung los, besuchten Unternehmerinnen und Unternehmer in ihren leeren Gaststätten, Hotels und Büros, hielten natürlich den obligaten Sicherheitsabstand ein, wollten aber trotzdem aus der Nähe und in ihrem ureigenen Umfeld sehen, hören, spüren, wie es ihnen geht und welches Resümee sie für sich ganz persönlich gezogen haben.

 

Eines war dabei frappierend: Alle waren für sich zum Schluss gekommen, dass das Tempo davor zu rasant und vieles aus dem Lot geraten war. Dass nun die Chance da sei, sich wieder mehr an nachhaltigen Werten zu orientieren, an Begegnung und Menschlichkeit. Und alle hatten es als enorme Entlastung und Erleichterung empfunden, dass ihre Hausbank sofort mit Lösungen für sie da war.

Armin Falkner

 

Schnell und unbürokratisch ist in so einer Situation doppelt geholfen“, lobte uns etwa Ferienhotels-Tirol-Betreiber Armin Falkner in Prutz. Der versierte Vollbluttouristiker – er ist auch Geschäftsführer der Oberländer Gletscherbahn und Obmann des TVB Tiroler Oberland – hatte seine Betriebe binnen weniger Stunden auf die neue Situation umgestellt. Der leidenschaftliche Hobbykletterer wirkt im Gespräch ungemein gelassen. Das habe er von seiner Mutter geerbt, sagt er. Ebenso wie die Zuversicht: „Die Leute wollen nach diesen Wochen der Freiheitsberaubung wieder raus und auf Urlaub fahren.“

 

 

 

 

Christoph Egger

 

Für gloryfy-Chef Christoph Egger war der plötzliche Shutdown insofern bitter, als er mit dem im Vorjahr neu eröffneten Hightech-Headquarter in Schlitters nun perfekt für die weitere Expansion aufgestellt ist. Aber Aufgeben gibt es für Egger nicht. Stattdessen hat er mit der Herstellung von Schutzbrillen begonnen, die so gut angekommen sind, dass er daraus ein eigenes Geschäftsfeld machen wird.

 

Josef Sailer

 

Als eine geradezu historische Zäsur erlebte etwa Josef ‚Joschi‘ Sailer vom Hotel Sailer den verordneten Shutdown. 124 Jahre lang hatte das Sailer in der Innsbrucker Adamgasse keinen einzigen Tag zu. Dann kam der 16. März 2020 – und Joschi Sailer musste erst mal ein Schloss für die Hotelhaustür organisieren. Seine Belegschaft hat er zur Kurzarbeit angemeldet, etwas anderes sei für ihn auch nie zur Debatte gestanden. Und er halte natürlich Kontakt zu seinen Stammkunden, so Sailer. „Die freuen sich schon aufs Wiederkommen.“

 

 

 

 

Gerold Mattersberger

 

Ganze 272 Jahre ist auch „Der Engel“ in Grän schon in Familienbesitz. Für Gerold Mattersberger und seine Schwester Elke Zimmermann, die das beeindruckende Wellnesshotel gemeinsam führen, hieß es die letzten Wochen, sich in sprichwörtlicher Engelsgeduld zu üben und zuzuwarten, bis die Grenzen wieder öffnen. Denn ihre Gäste kommen primär aus Deutschland und der Schweiz. Viele hätten bereits reserviert, erzählte uns Mattersberger, der schon eifrig am Überlegen und Planen war, wie sie die möglichen Sicherheitsmaßnahmen im Haus umsetzen könnten.

 

Sonja Schütz

 

Bei Umbrüggler-Alm-Wirtin Sonja Schütz sprudelten nur so die Ideen. Am Muttertagswochenende konnte man sich bei ihr bereits „Alm-essen to go“ mit nach Hause nehmen. Außerdem habe sie in einen Smoker investiert, weil sie davon überzeugt sei, dass sich die Leute nach dieser Zeit noch viel lieber in der Natur treffen werden. „Gesundheit und Wohlbefinden haben einen ganz anderen Stellenwert bekommen“, sagt Schütz. „Die Menschen wünschen sich mehr denn je ehrlich und liebevoll zubereitete Gerichte.“

 

 

 

 

Ernst Moser

 

Ernst Moser vom Saluti in Matrei i. Osttirol sieht das ganz ähnlich. Der vermutlich einzige Drei-Hauben-Koch Österreichs, der in einem Tennisstüberl aufkocht und seinen Gästen auch Pizza serviert, nutzte die Schließzeit nicht zuletzt dafür, um sein Leib- und Lebensthema Regionalität gemeinsam mit anderen weiter voranzutreiben.

 

Werner Schiffner

 

Für Werner Schiffner, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer in Hall, der auch gleichzeitig dem Aufsichtsrat der Raiffeisen Regionalbank Hall in Tirol vorsteht, gab es in den Wochen der Quarantäne vor allem ein bestimmendes Thema: Kundinnen und Kunden dabei zu unterstützen, dass ihre Liquidität sichergestellt ist, damit sie diese Phase der Zwangspause gut durchtauchen können. Das habe alle gefordert, berichtet uns Schiffner.

 

 

 

 

Ulf Kattnig

 

Als eine ungemein arbeitsintensive Zeit erlebte Ulf Kattnig vom Klettermode-Label Chillaz die Wochen des vermeintlichen Stillstands. Der frühere Leistungssportler, der als junger Selbstständiger durch den Konkurs eines Lieferanten einiges Lehrgeld zu zahlen hatte, wusste sofort, wo er ansetzen muss. „Es war uns ganz wichtig, dass unsere Partnerbetriebe überleben und weiterarbeiten können. Also haben wir unseren Händlern beispielsweise ein Online-Tool entwickelt und zur Verfügung gestellt.“

 

 

 

 

Matthias Neuner

 

Dass sich eine Krise dieser Dimension nur in einem guten Miteinander lösen lässt, davon ist auch Matthias Neuner, Geschäftsführer vom Autohaus Neurauter in Telfs, überzeugt. Er kam einst als Lehrling zu den Neurauters und habe schon am ersten Tag gewusst, dass er hier alt werden möchte. Vor sechs Jahren hat er das bekannte Autohaus gemeinsam mit Serviceleiter Günter Peer übernommen. Ein Jahr später musste er schon das Dieselthema bewältigen. Auch jetzt ist er zuversichtlich. Die Planungen für den Neubau an einem zweiten Standort sind zwar vorderhand „on hold“. „Aber auch das werden wir in Angriff nehmen“, ist Neuner überzeugt.