Berufsbild: Herzensbotschafterin

Das Alpenresort Schwarz in Mieming ist seit Jahren schon das, was man einen Best-Practice-Betrieb nennt. Das zeigt sich auch in diesem Pandemiejahr. Sich als Mensch zeigen und Kontakt halten – und zwar gleichermaßen zu Gästen wie Mitarbeiter*innen – hatte und hat für Katharina Pirktl dabei oberste Priorität.

Fotos: ARIA SADR-SALEK, Jan Hanser / MOOD

 

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AKE CARE & STAY STRONG – das stand in silbrig glitzernden Großbuchstaben am lachsrot-weiß gestreiften Freundschaftsband, das die Stammgäste des Alpenresorts Schwarz während des ersten Lockdowns in ihrer Post fanden. „Es war uns wichtig, in dieser schockstarren Zeit ein Zeichen zu setzen, Mut zu machen und uns mit allen Menschen, die uns am Herzen liegen, zu verbinden“, erzählt uns Katharina Pirktl bei unserem ersten Treffen Ende Juni, kurz nachdem sie ihr Resort wiedereröffnet hatten. Von Herzensmenschen spricht sie immer wieder und meint damit sowohl die Gäste wie auch die 360 Mitarbeiter/innen, die das Alpenresort mittlerweile beschäftigt. Der Visionssatz des Hauses „Wir bieten Raum für herzliche Begegnungen, Wohlbefinden und Weiterentwicklung“ beziehe sich ja ebenfalls auf beide, so Pirktl, die innerhalb des familiären Geschäftsführungstrios, das sich aus ihrem Mann Franz-Josef, dessen Bruder Thomas und ihr zusammensetzt, den Bereich Human Resources verantwortet. 

Eine ungewöhnliche Hotelchefin

Die Menschen im Schwarz sind für sie die tragende Säule einer Erfolgsgeschichte, welche von den Schwiegereltern Franz und Martha begründet und von ihnen als nachfolgender Führungscrew auf ein neues Management- und Qualitätslevel gehoben wurde. Zehn Jahre habe dieser Übergangs- und Übergabeprozess gedauert, erzählt Katharina Pirktl in der ersten Ausgabe ihrer neuen Podcastreihe „A Place of Soul and Inspiration“, die auch auf Spotify nachzuhören ist. Ihre erste Gesprächspartnerin ist Schwiegermutter Martha. Weil es ihr wichtig sei, die Frauen im Haus zu ehren, sagt sie. Sie empfinde es als großes Geschenk, mit Frauen zusammenzuarbeiten. Siebzig Prozent ihrer Belegschaft seien ja Frauen. Katharina Pirktl ist eine ungewöhnliche Hotelchefin. Wenn sie spricht, erinnert sie eher an eine Lebensphilosophin oder Achtsamkeitslehrerin als an einen Chief Personnel Officer. Zu ihrer blutjungen Qualitätsmanagerin sagt sie irgendwann im Interview, als wir über die nun wieder anstehende Kurzarbeit reden, die sie so gern abgewendet hätte: „Es ist auch für mich nicht selbstverständlich, dass du da bist.“ Wie Katharina und Martha im Podcast die gemeinsame Lebens- und Entwicklungszeit reflektieren und wertschätzen, lässt einen gleichfalls staunen. Wechselseitig zeigen die beiden Frauen einander auf, wie sie diesen Transfer angegangen sind, was sie dabei erlebt und gelernt haben. Martha hat als Seniorchefin im vielfach preisgekrönten Garten eine neue Aufgabe und Erfüllung gefunden, Katharina einen ganz neuen Führungsstil ins Haus eingebracht. So verwundert es auch nicht, dass Martha von den Mitarbeiter/innen nach wie vor mit „Chefin“ angesprochen wird, während Katharina einfach „die Katharina“ sei. Was gut ist, wie sie lächelnd hinzufügt. 

„Wir bieten Raum für herzliche Begegnungen, Wohlbefinden und Weiterentwicklung.“

Katharina Pirktl, Hotelchefin Alpenresort Schwarz in Mieming

Qualitätsvoller Wandel zum Leitbetrieb

In dieser zehnjährigen Übergangsphase hat das Unternehmen jedenfalls einen radikalen Changeprozess hinter sich gebracht. Denn das neue familiäre Geschäftsleitungstrio setzt auf das EFQM-Modell (Qualitätsmanagementsystem), also auf klar definierte Geschäftsprozesse, kontinuierliche Verbesserungen, flache Hierarchien, transparente Kommunikation. Eine Führung nach gemeinsam vereinbarten Werten und Zielen, die über die Balanced Scorecard gemessen und ausgesteuert werden. Die Initialzündung zu diesem tiefgreifenden Management- und Kulturwandel gab übrigens ein Gast des Hauses. Katharina hatte zu diesem Zeitpunkt gerade Marthas früheren Verantwortungsbereich übernommen. „Er kam beim Auschecken zu mir“, erinnert sie sich.

 


„Und er fragte mich plötzlich nach unserer Vision, unseren Werten und worauf denn unser Qualitätsmanagement basiere.“ Da sei ihr klar geworden, „dass wir uns grundlegend verändern müssen“. Also ließ sie sich gemeinsam mit Franz-Josef, Thomas und einigen Mitarbeiter/innen zur EFQM-Managerin ausbilden. Dann ging man in regelmäßigen Strategietagen und mit externer Unterstützung mit der gesamten Mannschaft daran, das Unternehmen neu auszurichten. Seit fast vierzehn Jahren arbeiten sie nun schon mit dem EFQM-Modell, zuletzt haben sie auch die SDGs (Sustainable Development Goals) in ihre Unternehmensphilosophie mitaufgenommen, was ihnen im heurigen Jahr prompt den TRIGOS Tirol in der Kategorie „Vorbildliche Projekte“ einbrachte. Überhaupt avancierte das Alpenresort seit den Nullerjahren zu einer Art Dauerpreisträger, ob nun für innovative Mitarbeiterführung oder den Wellnessbereich – erst jüngst kam ein zweiter European HEALTH & SPA AWARD in der Kategorie „Best Hotel (Resort) Spa“ dazu. 

Das vielfach ausgezeichnete Alpenresort Schwarz liegt am Ortsrand von Mieming, in unmittelbärer Nähe des Golfplatzes.

Die Qualität der Zeit erfassen

Das Schwarz gilt längst als Leitbetrieb der Branche und war auch Testimonial der diesjährigen WKO-Kampagne #schaffenwir. Ein Hashtag, der auch von Katharina Pirktl selbst stammen könnte. Bleibt mental stark, sagt sie etwa in ihrem zweiten Podcast Ende Oktober, bei dem sie eine Meditation ihres Resort-Fitness- und Mentaltrainers ankündigt. Anfang November, bei Redaktionsschluss, haben sie das 32.000 m2 große Resort nach einer kurzen, aber guten Sommersaison nun erneut zusperren müssen, nur das Restaurant „Greenvieh“ bietet noch Take-away an. Beim ersten Lockdown sei sie unglaublich traurig gewesen, erzählt sie am Telefon. Nun seien sie alle gefasster. Vielleicht wirkt in ihr auch noch jenes dreitägige Zeitmanagement-Retreat nach, das sie kurz nach dem ersten Lockdown besuchte. Ihre eigenen Erkenntnisse daraus hat sie erst unlängst in einem Schwarz-Campus-Webinar an ihre Mitarbeiter/innen weitergegeben. Die Geschichte etwa von Chronos und Kairos, den beiden griechischen Zeitgöttern, wo der eine seine eigenen Kinder frisst, bis er selbst zur Strecke gebracht wird, und sich der andere nur im richtigen Moment vorne beim Schopf packen lässt. Das habe ihr sehr geholfen, sagt Katharina, sich auch in dieser herausfordernden Zeit neu zu sortieren und zu orientieren. „Wir müssen uns immer fragen, welche Zeitqualität gerade da ist und wie wir mit dieser Qualität umgehen. Das ist unsere eigene Verantwortung, die kann uns niemand abnehmen.“

„Wir müssen uns immer fragen, welche Zeitqualität gerade da ist und wie wir damit umgehen.“

Katharina Pirktl

Starke Herzensbotschaften 

Katharina Pirktl ist eine, die sich und ihre Erfahrungen gerne mitteilt. Ob im Gespräch oder in den sozialen Kanälen des Unternehmens, die vierfache Mutter präsentiert sich authentisch als feinsinnige Botschafterin der eigenen Unternehmensphilosophie. Zeigt sich ungeniert als Mensch, verblüfft immer wieder mit offenherzigen Bekenntnissen. Etwa in den Video-Herzensbotschaften, mit denen sie und ihre Mitarbeiter/innen Ende April auf der Homepage online gingen. Da gibt sie eine Liebeserklärung an jenen Mann ab, den sie als 16-jährige Modeferrari-Schülerin das erste Mal im Bus von Mieming nach Innsbruck sah und wusste, dass sie diesen Jungen mal heiraten wird. „Er ist wirklich tapfer mit mir und den vier Kindern daheim, denn ich bin nicht so eine tolle Hausfrau, aber ich bemüh mich.“ Sagt sie in diesem Video einfach so in die Welt hinaus, als eine wie du und ich. In dieser Phase hätten sie auch entschieden, in der Korrespondenz mit ihren Gästen vom Sie zum Du zu wechseln, erzählt sie uns. Ungewöhnlich für einen Fünfsternebetrieb, aber auch da haben die Pirktls offensichtlich wieder den richtigen Zeitpunkt erkannt und den Kairos beim Schopf genommen. Die Leute suchen jetzt in dieser krisenhaften Zeit keinen Individualtourismus, ist Katharina Pirktl überzeugt, sondern Resonanz, leibhaftige Kontakte, eine Community. Und nach dieser Pandemie, deren Ende derzeit noch nicht wirklich absehbar ist, wohl erst recht.

 

Christine Frei