Erfolgskonzept Genossenschaft

Wiederentdeckt: Das Comeback der Genossenschaften

Dass die Genossenschaft nicht nur eine althergebrachte Unternehmensform aus dem 19. Jahrhundert, sondern auch modern und innovativ sein kann, beweisen zwei Tiroler Projekte, die nun auch mit Preisen ausgezeichnet wurden. Sie zeigen, dass das Modell sowohl auf regionaler als auch auf europäischer Ebene funktioniert.

Fotos: Günter Kresser (2), Diözesanarchiv Passau, Stiftsbibliothek St. Gallen
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ie ist zwar über 150 Jahre alt, doch sie hat noch lange nicht ausgedient. Ursprünglich kommt die Idee der Genossenschaft aus dem Kleingewerbe und der Landwirtschaft. Die erste Genossenschaftsbank hat Friedrich Wilhelm Raiffeisen 1864 als „Darlehnskassenverein“ gegründet. Damit ermöglichte er Landwirten günstigere Einkaufsmöglichkeiten von Saatgut oder Dünger. Durch ihre Spareinlagen konnten Darlehen zu guten Konditionen vergeben werden, die Mitgliedern etwa über Dürrejahre halfen.

 

Heute erlebt das Genossenschaftsmodell ein Comeback, weiß Daniel Wibmer, Leiter der Stabsstelle Innovative Genossenschaft der Raiffeisen-Landesbank Tirol. „Sie ist zwar alt, aber sie hat sich bewährt. In einer modernen Form begegnet sie uns zum Beispiel beim Carsharing.“ Das Modell kenne eigentlich keine Alternative, ist Wibmer überzeugt, denn die zentralen Elemente der Genossenschaft Solidarität, Subsidiarität, Regionalität und das demokratische Prinzip seien die Antwort auf viele Megatrends, die unser Leben und Wirtschaften nachteilig beeinflussen. 

 

„Wenn mehrere Menschen zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen, sprechen wir vom genossenschaftlichen Gedanken“, so Wibmer. Neben günstigeren Konditionen im Einkauf zahlt sich für die Mitglieder etwa auch das gemeinsame Marketing aus. Genossenschaftsmitglieder nehmen damit eine Doppelrolle ein: Sie sind gleichzeitig Eigentümer, aber auch Nutzer bzw. Kunden. Dabei steht nicht die Gewinnmaximierung, sondern die Förderung der Mitglieder im Vordergrund. Wie das funktionieren kann, zeigen zwei innovative Projekte mit Tiroler Wurzeln.

„Sie ist zwar alt, aber sie hat sich bewährt. In einer modernen Form begegnet sie uns zum Beispiel beim Carsharing.“

Daniel Wibmer, Leiter der Stabsstelle Innovative Genossenschaft der RLB Tirol

Ein Projekt mit Zukunft

 

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er schon einmal versucht hat, die Kurrentschrift der Urgroßmutter zu entziffern, weiß: Alte Handschriften haben es in sich. Eine digitale Lösung für dieses Problem, dem sich Historiker, aber auch Familienforscher häufig stellen müssen, gibt es mit dem Programm Transkribus.

 

Es entziffert Handschriften, aber auch Druckschriften auf Scans oder sogar Handyfotos. Die Entwickler arbeiten in der Europäischen Genossenschaft READ-COOP SCE, deren Mitgründerin die Universität Innsbruck ist – ihr Programm reicht aber weit über die Hochschule  hinaus. „Im Zuge von zwei europäischen Wissenschaftsprojekten hatten wir sechs Jahre Zeit, ein ausgereiftes technisches Produkt zu erzeugen. Gleichzeitig ist rundherum ein Netzwerk entstanden“, so Andy Stauder, Managing Director der READ-COOP. Genossenschaftsmitglied ist unter anderem die Elite-Universität Stanford, berichtet der Geschäftsführer stolz. „Wir waren durchaus optimistisch. Aber dass wir es damit sogar über den großen Teich schaffen – damit hätten wir nicht gerechnet.“

Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen: Andy Stauder arbeitet nach wie vor an der Weiterentwicklung von Transkribus.

„Wir bieten den Mitgliedern Teilhabe am Weiterentwicklungsprozess. Sie können mitsteuern, wohin sich Transkribus entwickelt.“

Andy Stauder, Managing Director READ-COOP

Mitgliedern eine Stimme geben

Stauder ist überzeugt vom Kooperationsmodell: „Die Zusammenarbeit und dass man gemeinsam etwas erreicht, ist der Kern der Genossenschaft. Im Gegensatz zur herkömmlichen Firma gibt es die Unterscheidung zwischen Anbieter und Kunde nicht. Alle ziehen am selben Strang.“ Als eine Kombination aus Firma und Verein beschreibt Stauder die Genossenschaft. Sie führe die besten Eigenschaften beider Modelle zusammen.

 

Zu den Mitgliedern der READ-COOP SCE gehören nicht nur große Institutionen, auch Privatpersonen sind an Bord. Sie sind Teil des demokratischen Prozesses und nehmen etwa an der Generalversammlung teil. „Wir bieten den Mitgliedern Teilhabe am Weiterentwicklungsprozess. Sie können mitsteuern, wohin sich Transkribus entwickelt“, so Stauder. Ein weiterer Vorteil ist, dass Mitglieder die Leistungen günstiger in Anspruch nehmen können. „Das Genossenschaftsmodell bringt Menschen zusammen, und das sogar über europäische Grenzen hinweg.“

 

Gewinner des Horizon Impact Awards 2020

Mehr Informationen:www.readcoop.eu/transkribus

Die Geschäftsleiter der RB Vorderes Ötztal Manfred Scheiber und Hubert Kuprian sowie Gregor Hohenauer, Leiter der Raiffeisen-Bankenberatung, der das Projekt begleitet hat, sind stolz auf das Genossenschaftsprojekt.

„Wir wollen Regionalität nicht nur als Slogan verwenden, sondern wir wollen sie wirklich leben.“

Manfred Scheiber, Vorstand und Geschäftsleiter der Raiffeisenbank Vorderes Ötztal
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enossenschaften waren in ihrer ursprünglichen Form regional organisiert. Dass das auch heute noch sinnvoll ist, zeigt der Regionalkredit der Raiffeisenbank Vorderes Ötztal. Das Modell hat sich bereits vielfach für Häuslbauer und regionale Bauunternehmen bewährt. Wer als Kreditnehmer die Hälfte der Angebote für sein Bauvorhaben aus dem Bezirk Imst vorweisen kann, qualifiziert sich für den Regionalkredit und bekommt von rund 40 Unternehmen aus Bau- und Baunebengewerbe einen Nachlass auf den ausverhandelten Preis. Die Firmen sind selbst allesamt Mitglieder der Raiffeisenbank.

Kreditnehmer und Unternehmen profitieren

Für die Kreditnehmer sieht Manfred Scheiber, Vorstand und Geschäftsleiter der RB Vorderes Ötztal, zwei Vorteile: „Erstens gibt es von der Bank ein zinsgünstiges Darlehen. Zweitens gibt es bis zu fünf Prozent Skonto bei den Partnerfirmen, wenn man innerhalb von zwei Wochen bezahlt.“ Von dieser Form der Genossenschaft profitieren selbstverständlich nicht nur die Kreditnehmer, auch die Unternehmen ziehen Vorteile daraus. Die Wege zu den Baustellen sind kurz und die Werbekosten fallen weg, denn in einem Prospekt der Raiffeisenbank sind alle Gutscheinanbieter aufgelistet. Außerdem kann sich der Unternehmer sicher sein, dass der Kunde, um den Nachlass zu erhalten, innerhalb von 14 Tagen zahlt. „Wir wollen Regionalität nicht nur als Slogan verwenden, sondern wir wollen sie wirklich leben. Wir zeigen damit auch, dass wir uns für die heimischen Unternehmen einsetzen“, so Scheiber.

 

Theresa Kleinheinz

 

Ausgezeichnet mit dem „TRIGOS Tirol“-Preis 2020 für verantwortungsvolles Wirtschaften