Tiroler Wintertourismus in Gefahr?
Gletscher schmelzen rasant, Schneekanonen sind aus dem Pistenalltag längst nicht mehr wegzudenken. Und die Wintersaisonen werden immer kürzer. Der Klimawandel hat auch Tirol fest im Griff. Wohin geht es mit dem alpinen Wintertourismus? Meteorologe Dr. Karl Gabl zeigt auf, welche Folgen der Klimawandel für unser Land haben kann.
rognosen zufolge wird sich die Erde in Tirol bis 2030 um ein Grad Celsius erwärmen und die natürliche Schneefallgrenze in Österreich um etwa 150 Meter in die Höhe wandern (Quelle: IPCC, BMWFW). Dass sich das auf den alpinen Wintertourismus auswirkt, liegt auf der Hand. Gabl weiß, dass das Klima nie eine Konstante ist und war und dass Schwankungen etwas Natürliches sind. Dennoch: „Seit den 1970er-Jahren steht fest, dass der Mensch wesentlich zum Klimawandel beiträgt.“
Achterbahnfahrt.
„Der Trend der steigenden Temperaturen wird sich fortsetzen, obwohl beispielsweise die Durchschnittstemperatur in Kitzbühel gesunken ist. In Obergurgl wurden jüngst aber deutlich höhere Durchschnittstemperaturen aufgezeichnet“, weiß der Experte. Trotzdem geht er nicht davon aus, dass sich das Klima bis 2030 stark verändert. Skigebiete in Tirol könnten ohne Beschneiung sowieso nicht überleben. „Auch bis 2050 rechne ich nicht mit gravierenden Veränderungen“, so Gabl.
„Touristen suchen die Natur, den Kontakt zum Tiroler und Infrastruktur – Letzteres aber nicht um jeden Preis.“
Karl Gabl, Meteorologe
Karl Gabl
Meteorologe
Nur drei Grad Celsius mehr würden für Tirol bedeuten: 1. Es gäbe nur noch wenige Skigebiete, die keine Schneeprobleme hätten. 2. Schnee läge später an und würde früher schmelzen. 3. Die Pisten wären weniger lange befahrbar.
Offen bleiben Fragen, ob sich der Wintertourismus in höher gelegene Regionen verschieben und ob der steigende Ressourcenverbrauch der Beschneiung akzeptiert oder mit einem Imageschaden einhergehen wird. Und: Wie werden Einheimische und Touristen mit „weißen Bändern“ in einer grünen Winterlandschaft umgehen? Macht so das Skifahren, Skitourengehen oder Rodeln überhaupt noch Freude?
Attraktivität erhalten.
„Jetzt nicht mehr in den Wintertourismus zu investieren, wäre zu früh. Der Mensch ist flexibel genug, um darauf zu reagieren“, denkt der Meteorologe: „Wenn es aber so weitergeht, müssen wir damit rechnen, dass sich unser Lebensraum stark verändern wird.“
Gabl fordert deshalb, das Erschlossene zu halten und die Natur nicht weiter zurückzudrängen, denn für ihn steht fest: „Touristen suchen die Natur, den Kontakt zum Tiroler und Infrastruktur – Letzteres aber nicht um jeden Preis.“
Verkürzt sich die Wintersaison, könnten andererseits Hitzewellen Kurzurlauber in die Nähe von größeren Städten ziehen. Der Grund: Höhere Temperaturen und weniger Regentage wirken sich positiv auf die Nachfrage aus. Darüber hinaus wird die Bedeutung von Temperatur für einzelne Aktivitäten und Zielgruppen – welche Temperaturbereiche sind ideal oder akzeptabel? – neu zu definieren sein.
Kampf gegen Windmühlen?
„Das Problem beim Klima ist die langsame Responsivität: Es bräuchte deshalb eine CO2-Reduktion um 30 Prozent bis 2030 und um 20 Prozent bis 2050, damit wir das Klima nachhaltig beeinflussen können und die Klimaziele erreichen“, warnt Gabl. Garantie für eine nachhaltige Beeinflussung gäbe es aber nicht.
Für Tirol gilt es laut Gabl vor allem, die Hausaufgaben bei der Luftsituation zu machen: „Es ärgert mich, wenn ich an die Luftsituation in Tirol denke: Das Problem in unserem Land ist die Inversionswetterlage: Viele Täler haben im Winter zu 70 Prozent der Zeit keine Luftbewegung.“ Wir, sagt Gabl, sind deshalb alle gefordert, den CO2-Ausstoß zu reduzieren, um unseren Lebensraum zu erhalten und die Tourismusdestination Tirol auch im Winter attraktiv zu halten, denn sie trägt maßgeblich zum Wohlstand in unserem Land bei.
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