Es geht auch anders
„Sanft“ und minimalinvasiv die Natur genießen: Sanfter Tourismus soll der Branche Nachhaltigkeit verleihen. Wege dorthin gibt es viele. Wie es funktionieren kann und dass sich ein sanfter Zugang auch wirtschaftlich lohnt, zeigen unter anderem die Bergsteigerdörfer des Alpenvereins.
Unberührte Natur wird mehr und mehr zu einer touristischen Ressource, von der nur mit nachhaltiger Nutzung profitiert werden kann.
ine klare Definition dessen, was Tourismus ‚sanft‘ macht, gibt es nicht“, gibt Marion Hetzenauer unumwunden zu. „Dazu ist das Thema zu komplex, die Branche zu breit gefächert und die Möglichkeiten sind zu vielfältig.“ Als Mitarbeiterin der Abteilung Raumplanung und Naturschutz des Österreichischen Alpenvereins ist sie am Projekt Bergsteigerdörfer beteiligt – und damit an einem mittlerweile sehr erfolgreichen Konzept, das zeigt, wie sanfter Tourismus funktionieren kann.
Das Projekt läuft seit 2008. Inzwischen gibt es in Österreich, Bayern, Italien und Slowenien 27 Bergsteigerdörfer. Sie alle müssen Kriterien erfüllen, die sanften Tourismus garantieren sollen. „Einige bindend, andere ‚weich‘“, erklärt Hetzenauer. „Damit werden wir der Vielfalt gerecht, die im alpinen Lebensraum herrscht.“
Sanfte Tourismus-Renaissance
Dieser Charta hat sich auch das Wipptal verschrieben. Seit 2013 zählt auch „St. Jodok, Schmirn- & Valsertal“ zu den Bergsteigerdörfern. „Die Entscheidung war naheliegend“, berichtet Joakim Strickner, Geschäftsführer des Tourismusverbands Wipptal. Sowohl Lage als auch Struktur der Region boten sich an. „Das Schmirn- und das Valsertal haben ihr touristisches Hoch 1975 erlebt. Seither sind nicht nur die Ansprüche der Gäste gestiegen, es sind auch viele Gästebetten verloren gegangen.“ Vor allem Privatvermietern fehlte zunehmend das Interesse am Gastgewerbe und Gästezimmer wurden in Wohnraum umgewidmet.
„Wachstum muss Natur und Dorfkultur Raum lassen, anstatt sie zu überformen und zu vereinnahmen.“
Marion Hetzenauer, Abteilung Raumplanung und Naturschutz, ÖAV
Unberührtes Juwel
Das touristische Zugpferd der Region ist ein Faktor, der inzwischen Seltenheitswert hat: die unberührte Natur. Während im Haupttal ein Skigebiet mit Aufstiegshilfen erschlossen ist, müssen Gäste im Valser- und im Schmirntal Kondition mitbringen. „Zusammen mit dem Skitouren-Boom der letzten Jahre haben wir so etwas zu bieten, das man auch in Tirol suchen muss“, sagt Strickner. Und auch im Sommer steht eine sanfte und bewusste Herangehensweise im Mittelpunkt. Mit dem „Gesundheitswandern“ bietet das Wipptal sogar Wanderurlaube, die von der Sozialversicherungsanstalt gefördert werden – ähnlich einer Kur, aber als Präventivmaßnahme.
Dazu kommen ein Mountainbike-Singletrail, Infrastruktur für Tages- und Weitwanderer und vieles mehr. „Weil wir lange gewartet – und wohl auch ein wenig geschlafen – haben, steht uns jetzt eine Ressource zur Verfügung, die in vielen Gebieten dem Ausbau zum Opfer gefallen ist“, meint Strickner. „Und das müssen wir jetzt auch langfristig erhalten.“
Zwei Schienen
Und genau diese Strategie verfolgen die Bergsteigerdörfer, um sanftem Tourismus zum dauerhaften Erfolg zu verhelfen: Ein Re-Branding, das neue Gäste auf die Region aufmerksam macht und den Tourismus belebt, verbunden mit dem Bekenntnis, dieses Wachstum nicht künstlich anzutreiben.
„Es muss Natur und Dorfkultur Raum lassen, anstatt sie zu überformen und zu vereinnahmen“, erklärt Marion Hetzenauer. So soll die Branche zum fruchtbaren Boden werden, auf dem sich Dörfer entwickeln können. „Das bedeutet auch die Belebung anderer Bereiche – nicht zuletzt der Landwirtschaft, die in Bergdörfern zur Erhaltung der Kulturlandschaft enorm wichtig ist. Richtig betrieben kann der Tourismus auf diese Weise zum Bewahrer dessen werden, was ihm anderenorts weichen musste.“
Info:
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