Die Kunst des Scheiterns

Über Misserfolge und Fehler spricht man nicht gerne – weder privat noch beruflich. Dieses Tabu will das Format „Fuckup Night“ brechen, in dem das Scheitern und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in den Mittelpunkt rücken.

Fotos: Emanuel Kaser, Fabian Irsara
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heitern ist tabuisiert“, ist Bettina Wenko überzeugt. Vor vier Jahren brachte sie die Fuckup Nights nach Tirol. Heute, nach mehr als 20 Veranstaltungen in ganz Tirol, weiß sie: „Es hat enormen Mehrwert, Geschichten des Misserfolgs, Scheiterns und Fehlermachens zu erzählen.“ Das Format ist schnell erklärt: Drei Personen erzählen in je rund 10 bis 15 Minuten ihren beruflichen, unternehmerischen oder auch persönlichen Misserfolg. Erlaubte Hilfsmittel sind Bilder und kurze Stichworte, Vortragsstimmung mit PowerPoint soll nämlich nicht aufkommen. Dabei geht es nicht darum, Fehlentscheidungen zu analysieren, sondern den Weg aus der Krise heraus zu beschreiben. 

Richtig scheitern 

Bettina Wenko ist es wichtig, Räume zu schaffen, in denen wertfrei vom Scheitern erzählt werden kann. Es tue gut, über Fehler zu sprechen, das Bewusstsein für diesen offenen Dialog fehle in unserer Gesellschaft aber größtenteils. „Man muss einen Weg aus der Krise finden und wieder wertschätzend mit sich umgehen“, ist die Initiatorin überzeugt. Aus den Erfahrungen anderer könne man schließlich lernen, welche Mechanismen es gibt, das eigene fehlerhafte Verhalten zu verarbeiten.

 

Negative Erfahrungen zu verschweigen, unter den Tisch zu kehren oder im Geheimen zu lösen sei nicht zielführend. Mehrwert dagegen bringe, wenn Erfahrungen geteilt würden, um mehr Wissen zu generieren. „Richtig gescheitert ist man nur, wenn man nichts daraus lernt“, so Wenko. 

 

„Richtig gescheitert ist man nur, wenn man nichts daraus lernt.“

Bettina Wenko, Initiatorin der Fuckup Nights Tirol 

 

Mut haben 

Dass es nicht darauf ankommt, ob man scheitert, sondern wie, weiß auch Doris Steinmüller-Nethl, die an der ersten Tiroler Fuckup Night 2015 teilgenommen hat. Mit ihrem heute erfolgreichen Unternehmen CarbonCompetence ist sie 2008 zunächst gescheitert. Beim zweiten Anlauf klappte es. „Man muss den Mut haben, Stopp zu sagen“, weiß sie heute. Ein Anliegen ist ihr besonders der sprachliche Umgang mit Scheitern: „Es sollte vielmehr von einem Umdenken oder Neustart gesprochen werden, anstatt mit Sprache noch Fehler zu akzentuieren.“

 

Auch Serial Entrepreneur Andy Keel sprach bei der allerersten Innsbrucker Fuckup Night über seine Bauchlandungen. Vor seinem Umstieg zum Unternehmensgründer war der Teilzeit-Tiroler über 15 Jahre bei Credit Suisse, das Format „Fuckup Night“ kannte er bereits aus der Schweiz. „Was soll man schon groß aus Erfolgsgeschichten lernen“, sagt er, „wir lernen nur aus Fehlern, auch von jenen der anderen.“

Regional denken

Obgleich 90 Prozent der Redner einer Fuckup Night unternehmerischen Hintergrund haben, ist das Publikum bunt gemischt. Studenten, Selbstständige und Angestellte in allen Altersgruppen finden sich gleichermaßen unter den Zuhörern. „Die Fuckup Nights tragen zu mehr Verständnis für die unternehmerische Verantwortung bei“, meint Bettina Wenko.

 

Das Format kommt nicht nur in der Tiroler Hauptstadt gut an, sondern funktioniert auch in den Bezirken. Regionalität ist der Organisatorin ein wichtiges Anliegen, ihr Ziel sind acht Veranstaltungen jährlich in ganz Tirol. Neben Innsbruck, Wattens und Kufstein wird demnächst auch Landeck ein Standort der Fuckup Night. Dort holen Raiffeisen und die Wirtschaftskammer das Format ins Oberland. Die erste Veranstaltung findet am 2. April 2020 um 19 Uhr im Bezirk Landeck statt. Interessierte können sich unter  [email protected] voranmelden und werden über den Event rechtzeitig informiert. Einen Einblick in die Fuckup Night gibt es am 28. November auch in der Innsbrucker Kulturbackstube. 

 

Text: Katharina Wildauer