„Eine Rückkehr in die frühere Normalität wird es nicht geben“
Harry Gatterer, Leiter des von Matthias Horx gegründeten Zukunftsinstitutes, ist derzeit ein vielgefragter Mann. Denn sowohl privat wie auch geschäftlich bewegt uns wohl alle dieselbe Frage: Wie geht es nach Corona weiter?
s war zweifellos einer der meistgeteilten Texte dieser an WhatsApp-Weiterleitungen überreichen Zeit. Als Zukunftsinstitut-Gründer Matthias Horx seine Corona-Rückwärts-Prognose auf seinem Blog veröffentlichte, schrieben wir gerade Tag zwei der Tiroler Totalquarantäne. Und sein Text versprühte eine fast unwirkliche und gleichzeitig ungemein wohltuende Hoffnung und Zuversicht. Etwas, das wir uns in diesen Tagen der fortwährenden Schreckensmeldungen nicht wirklich vorzustellen vermochten.
Mittlerweile hat das Zukunftsinstitut neben einem Whitepaper bereits einen Leitfaden über die Welt nach Corona publiziert und bietet seine Beratungsleistungen nun ebenfalls primär in digitalisierter Form an. Harry Gatterer, der vor drei Jahren die operative Geschäftsführung des Zukunftsinstitutes übernahm, lässt im Gespräch mit kompakt keinen Zweifel aufkommen: Eine Rückkehr in die Normalität von früher wird es nach dieser globalen Krise nicht mehr geben. Der gebürtige Kufsteiner, der schon als Kind eine unbändige Neugierde auf die Welt in sich verspürte, hat zudem gerade im Molden-Verlag sein erstes populärwissenschaftliches Buch herausgebracht, das wohl zu keinem besseren Zeitpunkt hätte erscheinen können. Das Cover zeigt eine schwingende sonnengelbe Kinderschaukel und allein die Titelzeile „Ich mach mir die Welt“ lässt einen unvermittelt innerlich weitersummen, erinnert sie einen doch an die wohl coolste und wildeste Serienheldin unserer Kindheitstage.
Jene verwegene Pippi Langstrumpf, die vor neuen Unternehmungen etwa zu sagen pflegte: Das haben wir noch nie probiert, also geht es sicher gut. Diesen lebensfrohen konstruktiven Zukunftsmut sollten wir uns dringlichst wieder selbst verordnen, empfiehlt Gatterer. Denn so paradox es auch anmuten mag: Gerade Krisenphasen sind die unternehmerischsten Zeiten überhaupt.
Herr Gatterer, was wollen Ihre Kunden im Moment von Ihnen wissen?
Die meisten suchen nach einer Form von Gewissheit. Es sind Fragen wie: Woran kann ich mich orientieren, was kann ich als sicher annehmen? Worauf müssen wir uns nach dieser Coronakrise einstellen? Es geht also einerseits um Einschätzungen, aber auch um Methoden, Modelle, Instrumente, um die Dynamiken selber besser erkennen zu können.
Welches Szenario sehen Sie derzeit?
Das Besondere an dieser Krise ist ja die globale Gleichzeitigkeit, und es zeigen sich dabei auch ganz ähnliche Verlaufsmuster. Nachdem der Schock einigermaßen absorbiert ist, zeichnet sich nun eine Phase der Konfusion und des Unbehagens ab. Im Moment versuchen die Leute, in die Normalität von früher zurückzukommen, doch sie werden relativ schnell feststellen, dass es diese Normalität so nicht mehr gibt.
Neben den großen Phänomenen wie steigende Arbeitslosigkeit und Staatsverschuldung werden sie viele kleine Veränderungen in ihrem Umfeld spüren, weil eben plötzlich viele Unternehmen nicht mehr da sein werden oder Kunden nicht mehr kommen. Andererseits entstehen dadurch natürlich auch neue Möglichkeitsräume. Unternehmerisch gesehen ist es eine der unternehmerischsten Phasen seit Langem, weil man jetzt ganz viel anstoßen und neue Weichen stellen kann.
Was ist dabei die größte Herausforderung?
Der Umgang mit den eigenen Emotionen. Wir reagieren als Menschen zunächst emotional auf diese Krise, und dazu noch jeder ein bisschen anders. Aber genau diese vielen Emotionen können einen guten Umgang mit der Krise auch verhindern, weil sie den Blick verengen.
Die Kunst besteht also darin, immer wieder einen Schritt zurück zu treten und aus der Distanz zu schauen, welche Möglichkeiten und Entwicklungen sich einem nun bieten. Wichtig ist es auch, die Optionen zu sortieren und in Szenarien zu denken. Denn die eine wahre Aussage zur Zukunft gibt es einfach nicht.
Muss und sollte man als Zukunftsforscher Hoffnung versprühen, wie das Matthias Horx gleich zu Beginn der Krise getan hat?
Für uns ist das wichtig, weil wir uns tatsächlich der Aufgabe verschrieben haben, Zukunftsoptimismus zu verbreiten. Wir haben uns nicht darauf spezialisiert zu sagen, was alles kaputt gehen wird, das machen eh schon alle anderen. Dadurch wird man natürlich auch ein Stück weit zum Hoffnungsträger. Aber es geht um begründete Hoffnung, nicht um Illusion. In einer Phase, in der vieles unsicher ist, kann man die Unsicherheit als sicheren Faktor annehmen. Also braucht es Methoden, wie man besser mit Unsicherheit klarkommen kann.
„Es geht um die Fähigkeit, sich auf Veränderungen schneller und besser einstellen zu können.“
Harry Gatterer, Leiter Zukunftsinstitut
Für den Tiroler Tourismus ist das zweifelsohne die härteste Krise, die diese Branche je bewältigen musste. Was wären Ihre Empfehlungen für den Wiederaufbau?
Die vorhandenen Strukturen nicht einfach wieder aufzubauen, weil eine Rückkehr in die frühere Normalität ohnehin nicht mehr funktionieren wird und die Leute dann leicht den Mut verlieren könnten. Man müsste stattdessen einen großen Schritt nach vorne in Richtung eines echten Resonanz-Tourismus gehen. Also ein Tourismus, der sich verstärkt auf den Menschen und seine innersten Bedürfnisse konzentriert. Der nicht den Fokus auf noch mehr äußere Erlebniszonen setzt, sondern auf Mensch-zu-Mensch-Beziehungen im Sinne einer richtig verstandenen Gastfreundschaft. Das bedeutet beispielsweise, dass die Betriebe sich viel kollektiver verstehen und gemeinsam neue Gemeinschaftsräume und -angebote schaffen. Man sollte sich also jetzt ein Thema vornehmen, mit dem man aus der Krise heraus stärker werden kann. So eine Zukunftserzählung könnte dem Land einen mächtigen Motivationsschub geben, bedingt aber natürlich auch eine schonungslose Abrechnung mit der Vergangenheit. Man müsste jetzt in der Krise wirklich ganz konzentriert an dieser neuen Perspektive arbeiten und dann auch entsprechend Geld in die Hand nehmen, damit wirklich etwas nachhaltig Neues entstehen kann.
Sie resümieren in Ihrem Leitfaden über die Welt nach Corona, dass wir resilienter werden müssen. Als Menschen ebenso wie wirtschaftlich und gesellschaftlich. Wie kann das gelingen?
Bis dato war das Wirtschaftssystem ausschließlich auf Profit ausgerichtet, also auf Streamlining der Lieferketten und Effizienzsteigerung. Wobei Profit natürlich wichtig ist, sonst können Unternehmen nicht investieren. Aber nun ginge es darum, der Resilienz einen Wert einzuräumen, damit man im Unternehmen Prozesse installieren kann, die sicher etwas aufwendiger sind und auch etwas kosten, aber einen in Krisenzeiten beweglicher und widerstandsfähiger machen. Es geht um die Fähigkeit, sich auf Veränderungen schneller und besser einstellen zu können. Das impliziert eine Abkehr vom einfachen linearen Denken, weil unsere Wirtschaft ja auch nicht einfach und linear funktioniert, sondern im Gegenteil ein sehr komplexes System ist. Also weg vom reinen Ich-Ich-Ich-Denken hin zu einem Netzwerk- und Ökosystemdenken.
Vielen Dank für das Gespräch.
Christine Frei
In Bewegung bleiben
Mentalcoach und Fitnesstrainer Thomas Hölzl weiß, dass man in Krisen nur eines niemals tun darf: stehen bleiben.
Thomas Hölzl ist Inhaber von CrossFit Innsbruck – CrossFit steht für ein Konzept, bei dem es um ganzheitliches, funktionelles Gruppentraining mit starkem Community-Charakter geht. Die Fitnessbranche traf und trifft es in der aktuellen Situation hart, doch Hölzl schaffte es, keinen Kunden zu verlieren.
Anders als viele andere bot Hölzl seinen Mitgliedern sofort eine Vertragspause an und organisierte ein Online-Trainingsangebot. Über Webinars wurde Sportwissen vermittelt, in der täglichen Coffee Time mit der Community gequatscht.
Es gebe keine Gewinner in dieser Zeit, aber: „Abwarten ist in unsicheren Zeiten fatal. Man muss in Bewegung bleiben, egal wie“, sagt der Unternehmer.
Das hat er in seinem abwechslungsreichen Werdegang gelernt: Einst hatte er den elterlichen Betrieb übernommen, sah darin aber nicht seine berufliche Zukunft. Vor 10 Jahren wagte er dann den Neustart – heute ist er ausgebildeter Sozialberater, Mentalcoach und zertifizierter Sportcoach. Sein Tipp ist klar: „Rechtzeitig und regelmäßig etwas für den Körper tun.“ Aber nicht nur, um ein starkes Immunsystem zu haben, sondern auch für den Geist: „Ist man einmal in Bewegung – ob spazieren oder Training –, kommen die Ideen und man findet sich in neuen Situationen besser zurecht.“
Der tischlernde Meisterfotograf
Der Münsterer Fotograf Christian Hohlrieder fokussierte sich in der Krise auf ein coronataugliches Geschäftsfeld.
Sie haben es in Krisen eindeutig leichter: die Resilienten und Wandlungsfähigen, die immer wieder die Chance ergreifen, sich neu zu erfinden. Wie etwa Christian Hohlrieder, eigentlich studierter Hydrologe und seit vielen Jahren Meisterfotograf in Münster.
In seinem angestammten Beruf waren ihm pandemiebedingt über Wochen sprichwörtlich die Hände gebunden, was ihn nicht davon abhielt, mit eben diesen Händen Neues anzupacken. So nutzte er die Zwangsauszeit, um ein weiteres Standbein von ihm zu bewerben: das Tischlern von wunderschönen Altholzrahmen, die er dann ganz im Stil der alten Meister mit auf Leinenpapier gedruckten Bildern bespannt.
Diese Bilder, die tatsächlich wie Kunstwerke anmuten, sind nicht nur eine besonders edle Geschenkidee, sondern waren auch als Geschäftsfeld absolut coronatauglich. Denn es genügte, das gewünschte Fotomotiv per Mail zu übermitteln.
Gleich zu Beginn der Krise hat sich Hohlrieder selbst bei der Arbeit gefilmt, anders hätte sich das Video während der Totalquarantäne ohnehin nicht realisieren lassen. Das Werbevideo ist auch insofern bemerkenswert, als man sieht, mit welch entschleunigter Sorgfalt und Liebe er die Bilder anfertigt. Auch das dürfte seine Wirkung nicht verfehlt haben. Jedenfalls ein weiteres Beispiel eines findigen Tiroler Unternehmers, der sich von den neuen Rahmenbedingungen nicht hat unterkriegen lassen.