New Work im Krisenmodus

Home-Office, Videokonferenzen und flexible Arbeitszeiten – die Arbeitswelt erlebt derzeit einen enormen New-Work-Schub. Drei Experten erklären, was uns die letzten Wochen gelehrt haben und welche langfristigen Auswirkungen COVID-19 auf unsere Arbeit(splätze) haben könnte.

Fotos: Raiffeisen/Aria Sadr-Salek, Norbert Freudenthaler, Ulrich Zinell / Text: Katharina Wildauer, Simon Leitner

Neue Wege beschreiten

Für Christoph Spöck, RLB-Personalleiter, ist die plötzliche Umstellung von fast 100 Prozent Office auf beinahe 100 Prozent Home-Office sehr positiv verlaufen. Er nahm viel Eigenverantwortung und Selbstständigkeit seitens der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wahr. Probleme wurden angepackt, praktikable Lösungen geschaffen: „Es ist sehr hemdsärmelig und schnell über die Bühne gegangen“, so Spöck. Der einstige Widerstand Home-Office gegenüber wandle sich nun in breite Zustimmung – und die werde bleiben. Denn COVID-19 wird sich langfristig auf die Arbeitswelt auswirken: Wie Großraumbüros und flexible Arbeitsplätze und Sicherheitsmaßnahmen zusammenpassen, wird man erst sehen. Eine Rückkehr zum gewohnten Arbeitsalltag wird wohl nur langsam möglich sein. „New Work wird jetzt neu diskutiert: Vieles, was man sich vorgestellt und schon umgesetzt hat, wird durch COVID-19 anders werden – etwa Desk-Sharing“, ist der Personalleiter überzeugt.

 

„Wir befinden uns derzeit in einer Transformationsphase.“

Claudia Muigg, DIEBERATERINNE

 

Den Spagat schaffen

„Wir befinden uns derzeit in einer Transformationsphase“, meint Claudia Muigg von DIEBERATERINNEN, die mit ihrem Team Unternehmen in verschiedensten Entwicklungsbereichen begleitet. Eine der Kernfragen in Zeiten von COVID-19 laute dabei: Wo kann man jetzt sicher und dennoch produktiv arbeiten? „Und die Antwort darauf ist Home-Office“, so Muigg. Viele Betriebe sind durch das Virus gezwungen worden, verstärkt auf mobiles Arbeiten zu setzen, spannend ist für die Expertin aber vor allem, wie es nach der Krise weitergehen wird. Sie sieht New-Work-Praktiken als eine Möglichkeit, wie der Spagat zwischen persönlicher Sicherheit und ökonomischem Erfolg gelingen kann. Dafür brauche es allerdings auch einen Gedankensprung bei so manchem Arbeitgeber: „Viele wünschen sich ihre Mitarbeiter möglichst bald wieder im Büro, weil sie das Gefühl haben, sie könnten sie dort besser lenken“, sagt Muigg. „Doch ‚Command and Control‘ war vor Corona schon veraltet. Führungskräfte müssen nun rasch lernen, ihren Angestellten zu vertrauen und diese selbstständig arbeiten zu lassen.“ Diese Grundhaltung des New Work sei derzeit erfolgsentscheidend.

 

„Corona war ein Anstoß, tiefer in Prozesse hineinzuschauen und diese zu optimieren.“

Bernhard Herzog, Strategieberater bei M.O.O.CON

Corona als Katalysator

Bernhard Herzog, Strategieberater bei M.O.O.-CON, glaubt, dass mobiles Arbeiten durch die Erfahrungen im Umgang mit COVID-19 einen großen Schub erfahren dürfte: „Führungskräfte lernen gerade, welche Arbeiten von zu Hause aus gut gehen. Künftig wird es weniger Tabus geben, wenn ein Mitarbeiter mal daheim bleibt und dort seine Arbeit erledigt.“ Natürlich werde es branchen- und aufgabenspezifische Unterschiede geben, so Herzog, doch er sei überzeugt davon, dass sich diese Entwicklung hin zu mehr mobilem Arbeiten langfristig nicht aufhalten lasse. Der dafür nötige „Kulturwandel“ hin zu mehr Eigenverantwortung bei Angestellten und zu mehr Vertrauen bei Führungskräften in ihre Mitarbeiter sei zwar noch lange nicht vollzogen, werde aber durch COVID-19 beschleunigt. „Corona war ein Anstoß, tiefer in Prozesse hineinzuschauen und diese zu optimieren“, so Herzog. „Und das ist Voraussetzung für sinnvolles mobiles Arbeiten.“

Home-Office reloaded

Arbeitspsychologin Mag. Birgit Huter erklärt, wie man die neue Arbeitswelt zu Hause gestaltet, um effizient, motiviert und gesund zu arbeiten.


Das richtige Umfeld
Wichtig ist, sich einen geeigneten Raum und Platz für das Home-Office zu überlegen. Zudem sollte ein ergonomisches Minimum beachtet werden – ein entsprechender Tisch, ein passender Stuhl und ausreichend Licht sind ein guter Anfang.

In den Arbeitsmodus kommen
Sich morgens wie für einen Tag im Büro fertig zu machen, hilft, sich mental auf die Arbeit einzustellen und diese fokussierter zu erledigen. Studien zeigen, dass sich die Kleidung auf das Denken auswirkt – also raus aus dem Pyjama!

Klare Arbeitszeiten
Möglichst zur gewohnten Zeit die Arbeit beginnen, heikle Aufgaben zu energiereichen Zeitpunkten erledigen und nach getaner Arbeit möglichst klar zwischen Beruf und Privatleben trennen.

Richtig Pause machen
Regelmäßig und zum richtigen Zeitpunkt – während man sich noch aktiv fühlt – für fünf bis zehn Minuten Pause machen. Aufstehen, Fenster öffnen, Wasser trinken oder kleine Haushaltstätigkeiten erledigen.

Organisation ist alles
Sich an Arbeitsabläufe zu halten, hilft gerade im Home-Office. Arbeitspakete und Tagesziele geben zusätzlich Struktur. Auch neuen Routinen – Bewegung zu Mittag, Telefonate am Balkon oder Mails im Stehen – sollte man treu bleiben.

Reflexion
Am Ende des Tages das Geschaffene reflektieren – womit ist man zufrieden und wie könnte der nächste Tag anders oder besser gestaltet werden? Das steigert die Effektivität und Motivation im Home-Office.