Ein guter Job allein ist nicht immer Motivation genug

Die Zufriedenheit von Mitarbeitern ist auch für Arbeitgeber in vielerlei Hinsicht von Vorteil. Aber wie lässt sie sich erkennen und verbessern? Arbeitspsychologin Elke Mitterer gibt hilfreiche Informationen und Tipps.

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aiffeisen kompakt: Frau Mitterer, warum sollten Arbeitgeber Wert auf die Zufriedenheit ihres Personals legen? 

Elke Mitterer: Zufriedene Mitarbeiter sind loyaler und wechseln weniger oft den Job. Außerdem fördert die Arbeitszufriedenheit prosoziales und engagiertes Verhalten, wodurch auch die Produktivität steigt. Daher sollte der Arbeitsplatz so gestaltet sein, dass ein effizientes und gesundes Arbeiten möglich ist.

 

Wie lässt sich die Stimmung im Unternehmen einschätzen? 

Ein gutes Zeichen ist zum Beispiel, wenn Arbeitskräfte Engagement und Eigeninitiative beweisen. Auch ein angenehmes Betriebsklima, eine reibungslose Kommunikation und ein offener Umgang mit Problemen deuten auf grundsätzlich sorgenfreies Personal hin. Warnsignale sind hingegen regelmäßige Krankenstände, Leistungsabfälle und ständige Konflikte. Die beste Möglichkeit, die Stimmung einzuschätzen, ist aber eine professionelle Evaluierung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Diese ist seit 2013 für Unternehmen gesetzlich vorgeschrieben und ermöglicht es, gemeinsam mit dem ganzen Team Maßnahmen zur Optimierung zu erarbeiten. Eine solche Erhebung sollte immer als Prozess zur Organisationsentwicklung betrachtet werden und unbedingt mit arbeitspsychologischer Unterstützung durchgeführt werden. 

 

Was wirkt sich in der Praxis oft negativ auf das Wohlbefinden von Mitarbeitern aus? 

Eines der häufigsten Probleme ist die Kommunikation von Führungskräften. Ich werde immer wieder auf eine fehlende Wertschätzung hingewiesen und auch auf fehlende Maßnahmen zur Förderung des Verständnisses füreinander. Im Arbeitsalltag wird die Gewalt der Sprache und die Auswirkung von verbalen Abwertungen definitiv unterschätzt. Außerdem können Informationsmängel und widersprüchliche, unklare Anweisungen Unsicherheiten oder sogar Ängste verursachen.

 

Zur Person: 

Mag. Elke Mitterer ist Klinische, Gesundheits- und Arbeitspsychologin. Sie betreibt eine Praxis in Innsbruck und beschäftigt sich mit ihrem Team unter anderem mit den Themen Prävention und Gesundheitsförderung sowie mit der Evaluierung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz

„Qualifizierte Arbeitnehmer werden immer wählerischer in Bezug auf ihren Arbeitgeber. Wirklich attraktiv sind nur mehr jene Unternehmen, die den Fokus auf das Wohl­befinden und die Gesundheit der Mitarbeiter legen.“

Elke Mitterer, Klinische, Gesundheits- und Arbeitspsychologin

Wie können Arbeitgeber die Zufriedenheit im Unternehmen verbessern?

Es gibt grundsätzlich vier Faktoren, welche die Basis für Arbeitszufriedenheit schaffen. Sie sind deshalb ideale Ansatzpunkte für Verbesserungen. Dazu gehören die auszuführende Tätigkeit, die Organisationskultur, die Arbeitsumgebung und die Arbeitsabläufe. Eine attraktive Tätigkeit ist abwechslungsreich, bietet Herausforderungen, Entscheidungsspielräume und Verantwortung. Unter der Organisationskultur versteht man die Stimmung im Team, die Kommunikation, die Unterstützung untereinander und Mitsprachemöglichkeiten. In Bezug auf die Arbeitsumgebung sind eine angenehme Raumtemperatur, natürliche Beleuchtung, gute Luftqualität, genügend Platz und Ruhe wichtig. Sind dann auch noch die Arbeitsabläufe genau definiert und alle nötigen Informationen für deren Umsetzung vorhanden, ist eine optimale Arbeitsgrundlage geschaffen.  

 

Spielt Arbeitszufriedenheit heute eine wichtigere Rolle als früher? 

Ja, das Bewusstsein für dieses Thema ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Ein Grund dafür ist sicherlich der zunehmende Fachkräftemangel. Qualifizierte Arbeitnehmer werden immer wählerischer in Bezug auf ihren Arbeitgeber. Wirklich attraktiv sind nur mehr jene Unternehmen, die den Fokus auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiter legen. Ein adäquates Gehalt und Sozialleistungen werden vorausgesetzt und zählen zu den sogenannten „Hygienefaktoren“. Diese steigern die Zufriedenheit zwar nicht, können aber Unzufriedenheit auslösen. Vielmehr wird auf ein gutes Betriebsklima, Möglichkeiten zur Mitgestaltung und Entwicklung sowie der Vereinbarkeit von Beruf und persönlichen Interessen Wert gelegt.

 

Sollte manchmal ein guter Job nicht Motivation genug sein?

Interessante, abwechslungsreiche Tätigkeiten mit angemessener Bezahlung sind natürlich Voraussetzungen für motivierte Mitarbeiter. Auf lange Sicht reicht der Job alleine allerdings nicht aus, um ihre Zufriedenheit aufrechtzuhalten und sie ans Unternehmen zu binden. Ich empfehle Arbeitgebern deshalb, immer auf das Arbeitsklima und den menschlichen Umgang im Unternehmen zu achten.

 

Vielen Dank für das Gespräch.