Ein Dorf mitten in der Stadt

Seit Oktober findet vor der Innsbrucker Markthalle jeden Donnerstag ein neuer Direktvermarkter-Markt statt. Im „Dorf der Alpen“ bieten Bauern aus Tirol ihre Erzeugnisse von 16 bis 20 Uhr feil. Damit wollen sie besonders Berufstätige erreichen.

Fotos: Axel Springer (2), Aria Sadr-Salek (2), Simon Rainer, Oberländerhof
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rsprünglich war es als einmalige Veranstaltung geplant: Im September bot Claudia Kogler, Geschäftsführerin des Altstadt-Lokals „die Wilderin“, an drei Tagen regionalen Landwirten und ihren Erzeugnissen eine Bühne. Doch schon beim Organisieren des Events zeigte sich, dass es eigentlich regelmäßigen Bedarf gäbe. „Die Idee eines wiederkehrenden Marktes war schnell am Tisch“, erzählt Kogler. Und auch die Zielgruppe fand sich rasch: Weil die Bauern in der Markthalle nur am Vormittag vertreten sind, können Berufstätige diese Angebote oft nicht nutzen. Genau ihnen soll das „Dorf der Alpen“ einmal die Woche entgegenkommen. „Das ‚Dorf der Alpen‘ ist ja keine Konkurrenz zu den Bauern in der Halle, sondern eine Ergänzung – und zugleich sprechen wir ein Publikum an, dessen Nachfrage bislang ungedeckt geblieben ist.“

Bauern und Städter

Seit dem Sommer hat sich das „Dorf“ als Verein formiert. Neben Claudia Kogler ist dort auch Johannes Zanon federführend. Der Absamer Bio-Gemüsebauer arbeitet seit Jahren eng mit der „Wilderin“ zusammen und teilt ihre Vision: „Uns geht es vor allem darum, eine Schnittstelle zwischen der Stadtbevölkerung und den Tiroler Bauern zu schaffen, die es so bislang noch nicht gab.“ Das soll zum einen einfacheren Zugang zu Lebensmitteln aus regionaler Produktion schaffen. Zum anderen wollen die Initiatoren Bewusstsein dafür erzeugen, was es jenseits des Supermarkts noch so gibt – und was die regionalen Landwirte zu bieten haben.

Schmankerln

Den gesamten Einkauf eines Haushaltes abdecken kann und wird das „Dorf der Alpen“ aber nicht. Der Direktvermarkter-Markt wäre dazu nicht nur zu klein, sondern ist auch zu sehr auf saisonale Erzeugnisse angewiesen. Das soll es aber auch gar nicht. Vielmehr sollen Einkäufer dort Besonderes finden und sich gerade vor dem Wochenende, wo Zeit ist, zu kochen, mit regionaler Qualität eindecken. Und für alles, was es im „Dorf“ gerade nicht gibt, ist die Markthalle direkt nebenan. „Wir hoffen, dass sich das auch ein wenig gegenseitig befeuert“, meint
Za-non. „Im Idealfall schaut man sich bei uns um, kauft die Zutaten, die wir gerade im Angebot haben, und deckt sich mit dem Rest dann in der Markthalle ein. So können alle profitieren.“

Abend-Shopping: Das Dorf der Alpen richtet sich speziell an Berufstätige. Ihnen kommt der Direktvermarkter-Markt mit Öffnungszeiten von 16 bis 20 Uhr jeden Donnerstag entgegen.

 

„Uns geht es vor allem darum, eine Schnitt-stelle zwischen der Stadtbe-völkerung und den Tiroler Bauern zu schaffen.“

Johannes Zanon, Gemüsebauer

 

Ehrliche Produkte

Die Veranstalter gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Erzeugnissen aus bäuerlicher Produktion in Innsbruck das Angebot bei Weitem übersteigt. Damit bietet der neue Direktvermarkter-Markt eine große Chance – nicht nur für die Mitwirkenden, sondern für die Tiroler Bauernschaft an sich. Gelingt es, zu überzeugen, kann aus Neugierigen ein treuer Kundenstamm werden. Um ein hohes Qualitätsniveau zu garantieren, sind die Initiatoren bei der Auswahl der mitwirkenden Bauern bewusst übergenau. Darüber wacht zum einen Claudia Kogler mit der langjährigen „Wilderin“-Erfahrung – immerhin versorge sich das Altstadt-Restaurant seit nunmehr über siebeneinhalb Jahren nahezu ausschließlich mit direkt bei Bauern eingekauften Lebensmitteln. „Zum anderen haben wir mit Johannes Zanon jemanden bei der Hand, der Einblicke hat, die uns als Konsumenten normalerweise verschlossen bleiben“, sagt sie. Genau festgeschriebene Regeln gibt es dabei nicht. „Das ist auch sehr viel Gefühlssache. Aber Nachhaltigkeit und Tierwohl sind Faktoren, bei denen es keine Kompromisse geben kann. Und genauso wichtig ist es, dass nur Erzeugnisse aus wirklich bäuerlicher Produktion angeboten werden.“

Bauer aus Überzeugung

Einer, der den Kriterien gerecht wird, ist Matthias Mayr. Er bietet im „Dorf der Alpen“ die Eier seiner Wanderhennen, daraus hergestellte Nudeln und bald auch Eierlikör an. Anstatt im regulären Stall oder gar in Batterien züchtet er am Kemater Oberländerhof Hühner in Mobilställen, die eine deutlich artgerechtere Haltung ermöglichen. Mayr ist überzeugter Direktvermarkter. Denn eine wirklich bäuerliche Produktion sei nur in Mengen möglich, die für den Handel noch nicht interessant sei, sagt er. Dementsprechend bleibe nur der direkte Verkauf – und davon würden sowohl die Verbraucher als auch die Landwirte profitieren.

Gemeinsamer Gewinn

Produkte direkt zu vermarkten – und damit auch hinter ihnen zu stehen –, sieht Mayr als Qualitätsgarant. Denn im direkten Kontakt zum Kunden übernehmen die Bauern auch Verantwortung. „Natürlich kosten die Erzeugnisse aus nachhaltiger Produktion ein wenig mehr“, sagt er. Größerer Aufwand und niedrigerer Ertrag machen das unumgänglich. Aber auch hier punktet der Kauf am Bauernmarkt: „Direktvermarkter sind nicht auf den Handel als Bindeglied angewiesen. Dadurch können wir einige Produkte aus bäuerlicher Herstellung günstiger anbieten als Bio-Marken von gleicher Qualität im Geschäft – und dennoch bleibt für uns als Bauern mehr Reingewinn.“ 

 

Text: Daniel Feichtner

 

„Nachhaltigkeit und Tierwohl sind Faktoren, bei denen es keine Kompromisse geben kann.“

Claudia Kogler, Geschäftsführerin „die Wilderin“

 

Hühner auf Reisen 

 

 

Als typisch regional-bäuerliches Produkt werden unter anderem die Eier der Wanderhennen von Matthias Mayrs Oberländerhof im „Dorf der Alpen“ angeboten. Anstatt in einem stationären Stall wachsen die Wanderhennen in einem zum voll-mobilen und autarken Hühnerstall ausgebauten Traktoranhänger auf. Ausgestattet mit Wasseranschluss und Photovoltaik wechselt ein solcher Mobilstall alle ein bis zwei Wochen seinen Standort. So finden die Hühner immer aufs Neue frisches Gras und Kräuter und natürliche Nahrung vor, so als würden sie in der freien Natur den Ort wechseln.

 

Das bedeutet artgerechtere Haltung, enorm gesteigertes Tierwohl und verhindert zudem die Überdüngung des Bodens, wie es auf einer Wiese, auf der permanent Geflügel gehalten wird, unweigerlich passiert.