Mit Intuition an die Spitze

Dass sie vor über 15 Jahren die erste Bankvorständin in Westösterreich war, nahm Dr. Heidi Verocai-Dönz damals gar nicht bewusst wahr. Im Gespräch blickt sie auf ihre Erfahrungen als weibliche Führungskraft in der Finanzbranche zurück und erzählt, wie Frauen ihre Karriereziele erreichen.

Foto: AlpenBank
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Zur Person: 

Dr. Heidi Verocai-Dönz ist seit mehr als 15 Jahren Vorstandsmitglied der AlpenBank und verantwortet in dieser Funktion insbesondere die Unternehmensstrategie sowie die Unternehmenssteuerung des Private-Banking-Instituts. Die Wahltirolerin promovierte im Bereich Finanz- und Bankwirtschaft an der Universität Innsbruck, bevor sie in die Privat-wirtschaft wechselte. 

 

 

„Erfolg hat man nicht als One-Woman-Show, sondern immer nur gemeinsam mit seinem Team.“

Dr. Heidi Verocai-Dönz
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aiffeisen kompakt: Frau Dr. Verocai-Dönz – stand Bankvor-ständin schon immer auf Ihrer Berufs-Wunschliste? Dr. Heidi Verocai-Dönz: Ganz und gar nicht – eigentlich schien meine universitäre Laufbahn vorprogrammiert: Nach meinem Wirtschaftsstudium war ich als Universitätsassistentin tätig und hatte schon mein Habilitationsthema gewählt. Ich wollte jedoch nicht auf Dauer Wirtschaft lehren, ohne selbst in der Wirtschaft gewesen zu sein. Ich entschied mich in einer Karenzierung am Projekt „Wissenschafter für die Wirtschaft“ teilzunehmen und wechselte in die Praxis zur AlpenBank. Ursprünglich für eine befristete Zeit geplant, kehrte ich nach drei Jahren zur Überraschung vieler der Universität endgültig den Rücken. Ich war zunächst in der Innenrevision tätig, danach in der Innenleitung, führte die Abteilung Bankbetrieb/Unternehmenssteuerung und bekam nach zwei Jahren die Prokura übertragen. Bevor ich 2003 in den Vorstand berufen wurde, lernte ich die AlpenBank also in ihrem Herzen kennen. Heute, nach 25 Jahren im Unternehmen, weiß ich: Meine Entscheidung war die richtige. Etwas Interessanteres, als im Vorstand einer Bank zu sein, gibt es für mich nicht.  

 

Was sind die größten Herausforderungen, denen man an der Spitze einer Bank begegnet? In meiner Zeit in den unterschiedlichsten Abteilungen sammelte ich, unterstützt durch die Absolvierung eines deutschen Banken- und Bankiersausbildungsprogrammes in Frankfurt, viel fachspezifisches Wissen und praktische Erfahrung. Angereichert mit meinem theoretischen Rüstzeug hilft mir das bis heute, die vielschichtigen Herausforderungen, die das Private-Banking-Geschäft mit sich bringt, zu meistern. Neben dieser Basis sollten Führungskräfte in einem Kreditinstitut außerdem langjähriges Wissen um Finanzmärkte und Regulatorik aufweisen. Man braucht aber auch Sozialkompetenz: proaktive Kommunikation, Loyalität und Teamfähigkeit. Erfolg hat man nicht als One-Woman-Show, sondern immer nur gemeinsam mit seinem Team.

 

Gerade für Frauen ist Unvoreingenommenheit unabdingbar, möchte man Erfolg haben. Darunter verstehe ich die Fähigkeit, eigene Entscheidungen zu treffen und den Mut und die Stärke zu haben, Fragen zu stellen, Vorschläge anderer kritisch zu hinterfragen und Interessenskonflikte zu erkennen und aufzuarbeiten.

„Frauen sind viel zu bescheiden und schätzen ihre eigenen Kompetenzen viel kritischer ein als Männer.“

Dr. Heidi Verocai-Dönz

 

Sie sind das erste weibliche Vorstandsmitglied in der Tiroler Bankenwelt. Wie fühlt man sich als Frau in einer Spitzenposition in dieser männerdominierten Branche? 

Dass ich 2003 zur ersten Bankdirektorin West-österreichs bestellt wurde, war mir im Grunde gar nicht so bewusst. Ich fühle mich in meiner Funktion überaus wohl und habe keinerlei Berührungsängste, auch wenn die Branche nach wie vor männerdominiert ist. Ich habe stets versucht, konzentriert zu arbeiten, mich auf meine Stärken zu fokussieren und meine Ziele konsequent und mit Ausdauer zu verfolgen.

 

Neben der fachlichen Qualifikation sind es für mich die größere Belastbarkeit, die Fähigkeit, aktiv zuzuhören, die Gabe, auch mal Gefühle zuzulassen und hin und wieder der weiblichen Intuition zu folgen, die Frauen dazu prädestiniert, erfolgreich zu sein. Wichtig ist in meines Erachtens die positive Vorbildwirkung. Erfolgreiche Frauen ermutigen andere. 

 

Was sind Ihre Erfahrungen, die Sie als Führungskraft mitnehmen und anderen Frauen auf den Weg geben würden? Frauen sind im Finanzwesen selten in der Führungsriege zu finden. An der Ausbildung kann es nicht liegen, denn das Ausbildungsniveau der Frauen ist ausgezeichnet. Es ist schade, dass Führungsetagen eine Männerdomäne sind und ein Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen betreffend Einkommen und Karriere besteht.

 

Die Metapher der gläsernen Decke – das sind für mich die unsichtbaren Aufstiegsbarrieren der Frauen – dient als Erklärungsmuster. Zum einen ideologische Hürden wie festgefahrene stereo-type Rollenbilder und das Einstellungsmuster von Männern gegenüber Frauen in Führungspositionen. Dazu kommt, dass Frauen viel zu bescheiden sind und ihre eigene Kompetenzen viel kritischer einschätzen als Männer. Zum anderen strukturelle Hindernisse: mangelnde Diversität in Unternehmenskulturen, chancenungleiche Personalauswahl, da bei Frauen Erwerbsunterbrechungen aufgrund von Kindern erwartet werden. Dazu die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zudem netzwerken Frauen weniger, womit ihnen der Zugang zu karriererelevanten Informationen fehlt.

 

Welche Ideen haben Sie, Frauen den beruflichen Weg ins Banking-Wesen zu ebnen? Ich glaube, dass künftig vermehrt Frauen in Spitzenfunktionen der Bankbranche zu finden sein werden. Vor allem jüngere Frauen gehen das Karrierethema viel selbstverständlicher an. Aber auch nicht alle – viele wollen gar keine Karriere machen und nehmen die Work-Life-Balance wichtiger.

 

Im Bereich der Bildung, Gesellschaft und Politik sind wir auf dem richtigen Weg. Ein Manko sehe ich in der Beseitigung struktureller Barrieren – Stichwort Diversitäts-Policy. Damit könnten die Potenziale und Fähigkeiten beider Geschlechter gleichermaßen genutzt und gefördert werden. Gemeint sind zum Beispiel Rekrutierungsmaßnahmen, um Frauen für Top-Positionen zu bekommen. Gendergerechte Entwicklung durch Mentoringprogramme oder Frauennetzwerke. Und natürlich flexible Arbeitszeiten und Verbesserung der Kinderbetreuung – denn Teilzeit ist die Karrierefalle schlechthin, damit erreicht man selten absolute Spitzenpositionen.

 

Vielen Dank für das Gespräch.